Christian Huber
Tagungsbericht
Veröffentlicht am: 
20. Mai 2013

Der Begriff Militär – eine Chimäre des 19. Jahrhunderts, ein Staatsmythos? Die Identifikation mit dieser Begrifflichkeit generierte in den letzten beiden Jahrhunderten fast unweigerlich eine Vorstellungswelt, die an Siege oder Niederlagen des Militärs anknüpft. Hierbei versucht die new military history, durch mediale Bildgewalt entstandene Narrative mit Hilfe verschiedenster Quellenbestände zu entflechten. Welche Rolle spielte das Militär zum Beispiel in der Frühen Neuzeit in Verbindung mit der ständischen Gesellschaft, wirkte es isolierend oder integrativ als Teil einer überlappenden Systemlandschaft? Wie stellten sich die Lebenswelten der Soldaten innerhalb des Heiligen Römischen Reiches, in Europa, in Nordafrika und in Asien dar? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Tagung Lebenswelt – Gewaltökonomie – Herrschaftsinstrument vom 13. bis 15. März 2013 im Auditorium Maximum der Universität Potsdam.

Das Organisationsteam, bestehend aus Andrea Pühringer (Grünberg), Markus Meumann (Berlin) und Ralf Pröve (Potsdam), initiierte unter tätiger Mithilfe des Studententeams um Julia Wille (Potsdam) sowie mit finanzieller Unterstützung des Arbeitskreises Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit e. V. (AMG), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Frühneuzeitzentrums Potsdam (FNZ-Potsdam) eine internationale Konferenz, die die Forschungsergebnisse und Perspektiven der letzten zwanzig Jahre vergleichend darstellte. In einer Schlussdiskussion wurden die Befunde festgehalten und mit Blick auf künftige Forschungsfelder kommentiert.

Der Fokus der Konferenz richtete sich auf die Vergleichbarkeit zwischen Entwicklung und Professionalisierung der Armee als Herrschaftsinstrument der Frühen Neuzeit. Hierbei zeigten die verschiedenen internationalen Beiträge Forschungsstände auf, die beispielsweise im Gedanken des professional outsourcing des militärischen Unternehmertums eine alte Idee mit tagespolitischer Relevanz verknüpften.

Der Ausbau internationaler und nationaler Handelsbeziehungen führte zu einer Ökonomisierung des frühneuzeitlichen Staatshaushalts in Europa. Neben der Hof- und Baupolitik eröffnete das Militär durch die Einbeziehung großer Bevölkerungsteile einen weitläufigen und profitablen Absatzmarkt. Welche Bestandskraft hat eine Armee ohne Krieg? Adaptiert eine Gesellschaft kriegerisches Sozialverhalten während einer Friedensphase? Um diese Gedanken zu vertiefen, wurde die Arbeit der Tagung unter geographisch-kulturellen Gesichtspunkten in vier Sektionen gegliedert.

Die erste Sektion, moderiert von Stefanie Stockhorst (Potsdam), eröffnete Carmen Winkel (Potsdam) mit ihrem Beitrag: Militär im 18. Jahrhundert: Brandenburg-Preußen als Paradebeispiel? Entgegen der herkömmlichen deutschsprachigen Militärgeschichtsschreibung löste Frau Winkel die Armee als Instrumentarium aus dem festen Geschichtsbild der überzeichneten preußisch-friderizianischen "Maskerade" heraus, um mit Hilfe eines wechselseitigen Herrschaftsbegriffs die Grenzen des Monarchen und die entstehenden Freiräume im Militär zu porträtieren. Demnach gewähren diese administrativen Enklaven Zugriff auf die Loslösung vom preußischen "absoluten" Monarchen, um künftig ein differenzierteres Bild von Herrschaft zu vermitteln. Sie spiegeln die Handlungsoptionen der Soldaten in einer geregelten menschlichen Gemeinschaft wider. Dieser Perspektivwechsel soll die monolithen Denkmuster über den Militär-Musterstaat Preußen entkräften

Im Anschluss referierte Andrea Pühringer (Grünberg): Zwischen Stagnation und Expansion. Militär und Gesellschaft in der Habsburgermonarchie vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Die Überlegungen Pühringers zielten auf eine enge Verzahnung von Militärfinanzen und osmanischer Bedrohung ab, die unweigerlich in eine militärisch getriebene Steuerpolitik mündete. Der verstärkte Ausbau der Militärgrenze vereinnahmte 90 Prozent der Militärausgaben. Ab 1670 wurden verstärkt die Länder der Stephanskrone besteuert. Im 18. Jahrhundert spürten die böhmischen Länder den osmanisch-habsburgischen Antagonismus anhand der Steuererhöhungen um die Hälfte. Durch die Erweiterung der massiven Grenzfestungen wurde das Instrumentarium des 30-igsten Manns als landständischer Steuerbeitrag durch die 1680 eingeführte Landrekrutenstellung abgelöst. Durch ständige Präsenz in Festungsnähe und Effektivierung des Staatshaushalts wird die katalysierende Funktion des Krieges im Staatsbildungsprozess sichtbar. Dieser von den deutschsprachigen Räumen losgelöste neue Forschungsblick ermöglicht es, Preußens Entwicklung im Vergleich mit dem als "mütterlich theresianisch" geltenden Habsburg zu betrachten. Die Staatsverdichtung ist kein preußischer "Sonderweg", sondern vielmehr als ein Charakteristikum der Frühen Neuzeit zu konstatieren.

Stefan Kroll (Rostock) schloss den thematischen Kreis mit einer Untersuchung der drittstärksten Armee im Alten Reich, indem er über das "Militär" im Kurfürstentum Sachsen referierte. Seine Untersuchungsergebnisse ergaben, dass die Truppe in Kursachsen kaum aus ausländischen Geworbenen bestand, in Anlehnung an die Regimentswerbung nach österreichischem Vorbild. Um die Durchlässigkeit zwischen Militär und ziviler Lebenswelt stärker zu verdeutlichen, verwies Kroll auf die Vielschichtigkeit des Soldatenlebens im 18. Jahrhundert. Die Präsenz von kollektiven Erinnerungskulturen gilt es anhand von Archivmaterial zu erfassen, um zwischen militärischer und repräsentativer Lebenswelt schärfer trennen zu können.

Das Militär wird in der ersten Sektion geprägt durch die Akteure des 18. Jahrhunderts im Reich: Preußen, Habsburg und Sachsen sind eng mit einer aggressiv territorialen Landesverwaltung verbunden. Die Idee und Umsetzung zu einem effizienten Steuerstaat mittels Volkszählung, Kartographie und Enrollierung wirkt letztlich nur aufgrund der Ungleichzeitigkeit gegenüber Spanien, Holland, Frankreich gewaltig.

Kommentiert wurde diese erste Sektion von Martin Schennach (Innsbruck). Prägendes Element der Habsburger Monarchie war der Bellizismus als Grundpfeiler der Staatswerdung. Während sich die Donaumonarchie zunehmend intern verdichtete, investierte Preußen in Machtzuwachs und Herrschaftsausweitung. Dies lässt die Vermutung aufkommen, nicht Österreich schloss zu Preußen, sondern Preußen zu Österreich auf. Während die Archivstruktur in Sachsen gelobt wurde, bemängelten Andrea Pühringer (Grünberg) und Martin Schennach (Innsbruck) die Nutzungsbedingungen des Österreichischen Staatsarchivs als defizitär für auswärtige Benutzer. Ebenso verwiesen sie auf die Sprachbarriere, die es erschwere, die militärhistorischen Forschungen in den anderen Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie zu rezipieren.

In der darauf einsetzenden Diskussion wurde angemerkt, dass eine Differenzierung zwischen Revue (Herrschaft) und Manöver (Militärspiel) künftig ebenso wünschenswert wäre wie die Erforschung von Minderheiten (Sorben) im kursächsischen Militär.

Die anschließende Sektion, moderiert von Horst Carl (Gießen), widmete sich den führenden westeuropäischen Großmächten des 16. und 17. Jahrhunderts. Enrique Garcia Hernán (Madrid) referierte zum Thema: Christian Soldiers and Muslims in Tunice, 1572–1574. Approach to the Problem of Coexistence. Die spanische Sicherung der Festung Tunis 1573–74 erforderte die Konzentration von christlichen Soldaten und tunesischen Mauren auf engstem Raum. Zu diesem Zweck wurde ein kulturelle Unterschiede nivellierendes System entwickelt. Durch Separation konnte das Konfliktpotential minimiert werden. Dies erklärt auch die Huldigung der nach islamischen Grundsätzen organisierten Gesellschaft gegenüber Don Juan de Austria. Trotz der Rückeroberung durch die Osmanen 1574 erlaubt das Zusammenleben zweier unterschiedlicher Kulturen in Tunis eine Vielzahl von Betrachtungsmöglichkeiten, die im Ausbleiben einer inquisitio oder der potentiellen Heirat zwischen christlichen Männern und muslimischen Frauen nur angedeutet wurden.

Das enge Bündnis zwischen Militärs und politischer Elite porträtierte Olaf von Nimwegen (Utrecht) durch seinen Beitrag: The Pitfalls of Modern Views, Conceptions and Perceptions on the Early Modern Dutch Military (c.1500-1800). Die Verteidigung von Staat und Gesellschaft oblag in der Niederländischen Republik nicht den unzuverlässigen Söldnern, sondern lang dienenden Soldaten. Der dreifache Treueschwur band den Soldaten an das Land, und seine Pflicht als professionalisierter Landesverteidiger grenzte ihn umso schärfer von der willkürlichen Soldateska ab. Diese sich herausbildende Loyalität ist ein wesentlicher Bestandteil der Entwicklung in der Frühen Neuzeit.

Der Umgang des Krieges mit dem Einzelnen, nach einem Paper des verhinderten Hervé Drévillon (Paris) vorgetragen von Markus Meumann (Berlin), War and the Making oft the Individual in 18th Century France, stellte prägnant die Funktionen einzelner Normierungselemente in der militärischen Entwicklung wie Uniform und Bajonett dar. Suggeriert Ersteres eine Trennung der Lebenswelten, eröffnet Letzteres taktisch autonomes Handeln des Soldaten. Demgegenüber birgt der Ersatz des bürgerlichen Namens durch einen Spitznamen (nom de guerre) bei Eintritt in die Armee einen enormen Verlust an Individualität. Im Vergleich zum "furchtsam gedrillten" Preußen entwickelte sich ein Belohnungssystem basierend auf der "Ehre" als Motivationsmittel. Kommentiert von Raingard Eßer (Groningen) und Markus Meumann (Berlin) stellte sich am Ende der zweiten Sektion heraus, dass die Forschung bezüglich des Karrieresystems der Grenzregionen noch verstärkt werden müsse. Mittel der Integration von Soldaten in die Zivilbevölkerung waren Heirat, Geld und Quartierungssysteme, die am Beispiel der Christen in Nordafrika vergleichend untersucht werden könnten. Historische Narrative der drei westeuropäischen Traditionen weisen ähnlich wie in Deutschland einen Mangel an militärgeschichtlicher Basis auf. So beruht das Selbstverständnis der Niederlande auf dem Topos der Händler- und Kaufleutenation; dass gerade die Oranier die Einquartierung durch ihren finanziellen Spielraum förderten, bleibt unbeachtet.

In der dritten Sektion, moderiert durch Shuhei Sakaguchi (Tokio), stand der Einblick in außereuropäische Territorien im Mittelpunkt. Shinko Taniguchi (Tokio) regte mit ihrem Beitrag: Raison d'être of the Military in a Time of Peace: The Characteristics of Bushido (the Way of Samurai) in Early Modern Japan, einen Perspektivwechsel zugunsten des Faktors Frieden an. Am Beispiel der Samurai formierte sich während der 250-jährigen Friedenszeit ab 1603 eine moralische Konstante, die regulierend auf die Gesellschaft einwirkte. Frau Taniguchi führte weiterhin aus, dass die als "bushido" gelebten Tugenden (Mäßigung, Stoizismus, Selbstbeherrschung) Resultate eines friedvollen Übergangs des Militärs in die japanische Lebenswelt darstellen.

Einen Einblick in die chinesische frühneuzeitliche Staats- und Militärorganisation der "Acht Banner", bestehend aus Soldaten und Familien, gewährte Kiyohiko Sugiyama (Tokio) mit der Analyse: A Chinese Dynasty or Manchu Khanate? The Qing (Ch'ing) Empire and its Military Forces. Chinas letzte Dynastie, die Qing, waren Mandschu und keine Han-Chinesen. Diese Heterogenität der chinesischen Gesellschaft spiegelt sich in den verschiedenen Militärorganisationen der "Zhasakh"-Banner (Mongolen) und "Grünen Standarten" (Han-Soldaten) wider. Die "Acht Banner" (Mandschu) repräsentierten die größte militärische Kraft der Qing-Herrschaft. Ihre besonderen Herrschaftscharakteristika ähneln laut Sugiyama viel mehr der Regierungs-und Herrschaftspraxis zentraleurasischer Völker als dem chinesischen Typus.

In seinem quellenzentrierten Beitrag zu dem Thema: Soldaten gegen Nordamerika. Lebenswelten Braunschweiger Subsidientruppen im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg griff Stephan Huck (Wilhelmshaven) die verschiedenen Vorstellungen von Lebenswelt im Garnisonsdienst in Kanada, im Feldzug in Nordamerika und in Kriegsgefangenschaft auf und erweiterte den Blickwinkel durch zitierte Impressionen der Kriegsteilnehmer zu Beginn und Ende der "Reise". Der bewusst hohe Ausländeranteil in den Subsidientruppen sowie die Loslösung von Lineartaktiken stehen exemplarisch für die Entwicklung des Sammelbeckens Militär.

Die abschließenden Kommentare durch Kai Filipak (Leipzig) und Marian Füssel (Göttingen) kamen zu dem Ergebnis, dass die Rechtsprechungskompetenz der örtlichen Eliten den entscheidenden Machtgewinn in Friedenszeiten generierte. Vergleichend betrachtet festigt in Europa Krieg und in Japan Frieden die Staatsmacht. Da der Charakter des Shoguns, so der Befund Frau Taniguchis, nicht mit dem Absolutismus vergleichbar sei, müsse eine neue Idee von Herrschaft konstatiert werden. Durch die Betrachtung verschiedener globaler Räume – aus mehr oder minder mikrohistorischer Perspektive – können Konstanten und Veränderungen der Staatswerdung dezidiert herausgelöst und die Beeinflussung des Einzelnen in seiner Lebenswelt dargestellt werden.

Die vierte Sektion, moderiert von Magdalena Marszalek (Potsdam), wurde eingeleitet durch die Vorstellung des Themas: A Floating Army? Finnish Archipelago Fleet and the Civic Society (1720-1809) von Mikko Huhtamies (Helsinki). Die bedeutendste Wasserstraße im baltischen Raum, die Ost-West Passage des Schärenarchipels, erfuhr mit der Gründung St. Petersburgs 1703 und der Errichtung einer leistungsfähigen Galeerenflotte einen enormen Bedeutungszuwachs für Finnland. Basierend auf holländischen Karten und in engem Austausch zur Mittelmeerregion konnte eine Galeerenflotte aufgebaut werden, die das offene Meer und das Stettiner Haff befuhr, um die schwedischen Eichenwälder zugänglich zu machen. Durch die Gründung der Festung Sveaborg 1748 als Rückzugshafen wurde Helsinki entlastet.

In seinem Beitrag mit dem Titel: The Redefining of Ottoman Warrior Culture in the Era of Siege Warfare beleuchtete Rhoad Murphey (Birmingham) für den Zeitraum zwischen 1350–1750 eine Veränderung des Wertekanons innerhalb der osmanischen Infanterie, bei den Janitscharen. Der Erfahrungshorizont der Akteure unter dem Einfluss der veränderten Institutionen und vor allem der Kriegsführung erlaubt ein Blick bottom up auf den Wandel der Kriegerkultur. Die Umformung des Reitervolkes zu einer Infanteriestreitmacht ist eng an Massenrekrutierungen gekoppelt; dieser Verlust an Individualität schlägt sich spätestens im Regimentsstolz nieder. Festzuhalten ist, dass der Wandel vom selektiv rekrutierten zum professionalisierten Heer einen tiefen Einblick in die conditio humana gewährt, der fernab "staatlicher" Erwartungshaltung Schule machen sollte.

Hans-Jürgen Bömelburg (Gießen) vertrat im letzten Beitrag Daria Starcenko (Gießen) zum Thema: "The Devil comes on a Čajka". Cossack Ecoconomy of Loot and Violence in the 17th Century Black Sea Region. Resümierend wurden die niedrige Bevölkerungsdichte und das geringe Geldaufkommen als defizitär für die osteuropäische Militärkultur betrachtet. Basierend auf Beuteökonomie und Gewaltkultur plünderten die Zaporoger Kosaken (Ukraine) im 16. Jahrhundert auf dem Land; bereits im frühen 17. Jahrhundert destabilisierten sie die Schwarzmeerregion mit Hilfe der Čajka, kleiner flachkieliger, 50–70 Mann tragender Boote, zu Wasser. Die Kosaken, ein äußerst heterogener Verbund aus Adeligen und Söldnern, betrieben den größten Söldnermarkt in der Frühen Neuzeit.

Die abschließende vierte Sektion wurde kommentiert von Heiko Droste (Stockholm) und Hans- Jürgen Bömelburg (Gießen). Sie kamen zu dem Ergebnis, dass gerade durch die Bedrohung von Frieden und Stabilität dem Modernisierungsprozess in Europa Vorschub geleistet worden ist. Darüber hinaus zeigte sich am Beispiel Schwedens die zentrale Bedeutung des Geldes und das Interesse anderer Staaten (Frankreich), dieses effektiv zu investieren. Durch die geschlossenen Subsidienverträge konnten zum einen sozial ausgegrenzte Personen legitim das Land verlassen und zum anderen Bündnisse und Geldzahlungen eingefordert werden. Die allgegenwärtige Bedrohung ist das Fundament der Professionalisierung. Die Kriege der Frühen Neuzeit verhinderten die Bewährung der Protostaaten, da sie ihren sozio-ökonomischen Charakter aus der Armee bezogen.

Die verschiedenen Beiträge zeigten eindrücklich, wie schwer es ist, vorhandene Narrative, geprägt durch das 19. und 20. Jahrhundert, aus den Denkstrukturen herauszulösen, um in das militärische Zusammenwirken in der Frühen Neuzeit möglichst wertfrei eintauchen zu können. Die Schlussdiskussion wurde durch den Beitrag Bernhard Kroeners (Potsdam), zu dessen Ehren aus Anlass seines 65. Geburtstages die Tagung organisiert worden war, bereichert. Die verwaiste Militärgeschichte biete in nahezu jeder vorgestellten Region Anreize, um sie aus der "Schmuddelkiste" zu befreien, um eben nicht nur taktisch-operative Forschungsansätze zu verfolgen, sondern die aktuellen Forschungsfelder genauer zu vermessen. Der Begriff Militär sei durchaus als Quellenbegriff des 18. Jahrhunderts in Frankreich und England festzumachen, jedoch nicht im deutschen Sprachraum. Er könne daher lediglich einen Forschungsbegriff aus dem 19. Jahrhundert darstellen – den zentralen Zugriff des Staates auf die bewaffnete Macht. Darüber hinaus müsse künftig die Frage erörtert werden, inwieweit ein Soldat "professionalisiert" war und was dies konkret bedeute. Der einfache Soldat im 16. beziehungsweise 17. Jahrhundert genoss nur eine kurze Ausbildungszeit und legte auch keinen Eid auf den Landesherrn ab, außer in den Niederlanden. Hierbei lässt sich das Tagungsthema nochmals aufgreifen, da es den "Berufssoldaten" nach unserem modernen Verständnis schlicht nicht oder kaum gab. Unter den vielschichtigen Lebenswelten des Soldaten stellt die "militärische" nur eine kurze dar. Eine andere Ebene bilden die unteren Offiziersränge, die Subalternen, deren finanzielles Auskommen an eine Kompanie gebunden war, was im Falle des Zahlungsausfalls zur Quittierung des Dienstes führte. Daher sind mit Blick auf die Professionalisierung auch die Quittierung und die Desertion zu bedenken. Um einen Einwurf bezüglich der Porträtmalerei zu berücksichtigen, darf nicht vergessen werden, dass wohl nur in Preußen, Russland und Österreich die Uniform ein Integrationselement darstellte. In Frankreich galt das Hofkleid; die französische Elite wurde per Geburt dazu berechtigt, eine Waffe zu führen (noblesse le pie). Daher scheiterten auch die Offiziersschulen in Frankreich, sie lehrten eher das Tanzen und höfische Umgangsformen. Was also bedeutet Professionalisierung? Eine globale Perspektive verdeutlicht das Beispiel Japans. In Europa fand aufgrund der kontinuierlichen Bedrohung eine Art Professionalisierung statt, demgegenüber wurde dort ein Übergang militärischer Werte in die Gesellschaft vollzogen.

Das Militärische in der Geschichtsschreibung zu untersuchen, sollte – das zeigte die Vielzahl der Beiträge –, eingeordnet in der Staatsbildung der Frühen Neuzeit als Fundament der Moderne, auch in Zukunft genügend Forschungs- und Diskussionsansätze bieten.

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