Fortifications in Ancient Northeastern Africa
Jan Heinemann
Buchbesprechung
Veröffentlicht am: 
23. Juni 2014

"Denn du allein beschirmtest die Thor‘ und die thürmenden Mauern." (Hom. Il. XXII, 507)

Kaum andere Mauern des Altertums sind bekannter als jene des homerischen Ilion – doch das Festungs- und Grenzbefestigungswesen ist ein Phänomen, fast so alt wie die Landwirtschaft selbst. [1] Mit "The Power of Walls" legen die Herausgeberinnen nun einen systematischen Sammelband zur Festungsgeschichte Nordostafrikas vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis ins Mittelalter vor, der nicht nur für Archäologen und Ägyptologen von Interesse sein dürfte und die unlängst populären Kategorien Raum und Grenze anhand historisch-archäologischer Befunde und militärhistorisch relevanter Entwicklungen in Anschlag bringt.

Die Herausgeberinnen Friederike Jesse und Carola Vogel skizzieren in Vorwort und Einleitung kurz den Entstehungskontext des Sammelbandes [2] und führen knapp in die Forschungsliteratur zum Thema ein. Der Sammelband gliedert sich in vier systematische Hauptkapitel.

Das erste Kapitel "Border and Territory" sucht die Grundbegriffe des Forschungsgegenstandes zu füllen. Der Beitrag "The History of Kush – an Outline" (S. 17-31), in dem Dan’el Kahn die Geschichte des Königreichs Kusch und dessen territorialen Verschiebungen diskutiert, leitet anschaulich den gesamten Themenkomplex Räume-Territorien-Grenzen ein. Anja Kootz schließt mit ihrem Beitrag "State-Territory and Borders versus Hegemony and its Installations: Imaginations Expressed by the Ancient Egyptians during the Classical Periods" (S. 33-51) eine differenzierende Analyse von Territorialgrenzen und hegemonialen Einflusssphären an und weitet den Raumbegriff perspektivisch. In diesem Sinne ist auch der Beitrag "Egypt’s Southern Frontier Revisited" (S. 53-70) von László Török zu lesen. Er verweist auf Grenzen als Räume und die Funktion von Festungen hinsichtlich der Kontrolle dieser "Zonen".

Das zweite Kapitel "Fortifications between Syria/Palestine and Nubia – Overview of the Historical Development of Fortifications" widmet sich der Entwicklung des Festungswesens. Carola Vogel nähert sich in "Keeping the Enemy Out – Egyptian Fortifications of the Third and Second Millennium BC" (S. 73-100) den Entwicklungstendenzen hinsichtlich Bau, Strukturen und Lage an und weist auf die Versorgungsfunktion von Festungen in Grenzregionen hin, während Květa Smoláriková in "Egyptian Fortifications from the First Millennium BC" (S. 101-111) bereits auf Kombinationen verschiedenster Befestigungskomponenten (befestigte Städte/Tempelanlagen, Festungen, Türme, Unterstände) aufmerksam macht. Bogdan Żurawski weist entsprechend auf befestigte Außenposten hin und arbeitet in "Strongholds on the Middle Nile: Nubian Fortifications of the Middle Ages" (S. 113-143) ein für die mittlere Nilregion spezifisches, marinegestütztes Stützpunktsystem mit schwach befestigten Landungsköpfen, die ebenfalls ökonomische und repräsentative Funktionen wahrnahmen, heraus. In "Fortifications and the Post-Meroitic Period in Upper Nubia: Some Thoughts" (S. 145-160) macht Mariusz Drzewiecki schließlich nochmals die Repräsentativfunktion von Festungsanlagen stark und veranschaulicht die Vereinheitlichung der Festungssysteme im meroitischen Herrschaftsgebiet entlang des rechten Nilufers.

Das dritte Kapitel "Systems of Border Protections" diskutiert verschiedene Festungssysteme. Anhand des Horusweges um Tell el-Borg und die dortige Paläo-Lagune mit Nilzugang und deren strategischer Bedeutung für die Verteidigung der ägyptischen Nordostgrenze und des Nildeltas untersucht James K. Hoffmeier in seinem Beitrag "Reconstructing Egypt’s Eastern Frontier Defense Network in the New Kingdom (Late Bronze Age)" (S. 163-194) die Funktion von Zwillingsfestungen ("two by sea"). Der Beitrag von Lucia Mori "Fortified Citadels and Castles in Garamantian Times: the Evidence from Southern Fazzan (Liban Sahara)" (S. 195-216) befasst sich mit den inneren Strukturen und der Bedeutung von Festungen und befestigten Siedlungen für die Kontrolle von Karawanenrouten und den Schutz mühsam erschlossenen Agrarlandes. Derek A. Welsby’s Beitrag "Rome’s Solution for the Defence of its Desert Frontier – a Model for Understanding the Strategies Adopted to Combat Similar Problems by the States on the Middel Nile?" (S. 217-238) befasst sich mit den endlosen Grenzen des Imperiums in Nordafrika und den römischen Strategien zur Verteidigung dieser Grenzräume.

Das vierte Kapitel "Single Sites – Locations, Architecture, Garrison and Functions" umfasst schließlich die Untersuchung der spezifischen Entwicklung einzelner Festungsanlagen. Die Beiträge "City Wall(s) in Avaris" (S. 241-249) von Irene Forstner-Müller, "Hisn al-Bab: More Symbol than Substance" (S. 251-268) von Pamela Rose und Alison Gascoigne, "The Garrison and Inhabitants: A View from Askut" (S. 269-291) von Stuart Tyson Smith, "Dorginarti: Fortress at the Mouth of the Rapids" (S. 293-307) von Lisa Heidorn, "A Stone Building in the Desert Sands – Some Remarks on the Architecture of the Gala Abu Ahmed Fortress" (S. 309-319) von Dieter Eigner und "Far from the Nile – The Gala Abu Ahmed Fortress in Lower Wadi Howar (Northern Sudan)" (S. 321-352) von Friederike Jesse erweitern und konkretisieren die in den vorherigen Kapiteln systematisierten Aspekte des Festungs- und Befestigungswesens in den nordostafrikanischen Grenzregionen anhand konkreter Befunde und Grabungsberichte.

Obwohl die Beiträge für Nichtägyptologen und -archäologen aufgrund der sich vielfältig niederschlagenden methodologischen Spezifik (Vermessungs- und Substanzangaben sowie teilweise umfangreiche Hieroglyphen-Transkription) und beispielsweise widersprüchlichen Diskussionen um den Horusweg auf den ersten Blick abschreckend wirken, liefert der Tagungsband Erkenntnispotenzial auch für den "einfachen Historiker". So weist der Band dem geneigten (Militär-)Historiker anhand der Besonderheiten des nordostafrikanischen Raumes (starke Abhängigkeit von knappen Wasserressourcen, weite ungeschützte und vor allem schwer zu verteidigende Wüstenregionen) ein Pluriversum unterschiedlichster Ansätze, von garnisonshistorischen, über sozio-ökonomische, zu geo-politischen Perspektiven und Fragestellungen auf. Außerdem unterstreichen die Beiträge die unmittelbare Eingebundenheit des Befestigungswesens in den ökonomischen und sozialen Alltag des unmittelbaren und regionalen Umfeldes. Der Verdienst von "The Power of Walls" ist es daher, sowohl kontextspezifisch, als auch Regionen und Epochen übergreifend für eine Vielzahl von Fragestellungen bezüglich des Festungswesens zu sensibilisieren.

[1] Vgl. Khaled Hakami, Evolution durch Krieg. Oder warum der Krieg nicht der Vater aller, aber doch der meisten Dinge ist, in: Gerfried Mandl/Ilja Steffelbauer (Hrsg.), Krieg in der antiken Welt (Krieg und Gesellschaft), Essen 2007, S. 11-31. Hier S. 13-17.

[2] Ein Tagungsbericht findet sich auf der Seite des Heinrich-Barth-Instituts. URL: http://www.heinrich-barth-gesellschaft.de/pdf/Kurier_01_11/HB-Kurier_201..., Abruf: 31.05.2014, 13:20 Uhr.

Friederike Jesse/Carola Vogel (Hrsg.), The Power of Walls. Fortifications in Ancient Northeastern Africa, Proceedings of the International Workshop held at the University of Cologne 4th – 7th August 2011 (Colloquium Africanum, Beiträge zur interdisziplinären Afrikaforschung, Bd. 5), Köln 2013. ISBN 978-3-927688-39-1; 360 S.; € 29.

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