Deutsche Militärgeschichte in Europa, 1945-1990
Neben dem anhaltenden Trend zu transnational angelegten historischen Studien hat sich in jüngster Zeit das Interesse an einer gesamtdeutschen Zeitgeschichtsschreibung verstärkt. Diskutiert wird, ob und in welchen historischen Bereichen es angesichts der entgegengesetzten Staats- und Gesellschaftsordnungen sinnvoll ist, die Geschichte von Bundesrepublik und DDR gemeinsam in den Blick zu nehmen und aufeinander zu beziehen. Weiterhin ist klärungsbedürftig, mit welchen Konzepten Historikerinnen und Historiker eine „deutsch-deutsche“ Geschichte schreiben können. Schließlich stellt sich die Frage, wie sich die deutsche Geschichte nach 1945 in einen international-europäischen Rahmen integrieren lässt. Die militärgeschichtliche Dimension wurde in diesen Debatten bislang kaum berücksichtigt. Gleichwohl haben erste Arbeiten des am ZMSBw angesiedelten Forschungsprojektes „Deutsche Militärgeschichte 1970-1990“ gezeigt, wie fruchtbar eine beide deutsche Staaten integrierende Perspektive ist, die auch den europäischen Rahmen berücksichtigt. Die Tagung greift dieses Desiderat auf und schlägt mit Repräsentation, Organisation und Tradition Zugänge zu diesem Forschungsfeld vor, die als analytische Leitlinien dienen und das Tagungsthema strukturieren. Das Konzept der Repräsentation, das die Selbst- und Fremdbilder, den gesellschaftlichen Stellenwert der Streitkräfte und ihre symbolische Praxis in den Vordergrund rückt, bietet Anknüpfungspunkte für kultur-, politik- und sozialgeschichtliche Methoden. Organisationstheoretische Ansätze ermöglichen den Blick auf die jeweiligen Wehrverfassungen wie auch auf Bündnis- und Binnenstrukturen des Militärs. Das Problem der Tradition rückt die Frage nach Brüchen und Kontinuitäten in der doppelten deutschen Militärgeschichte nach 1945/49 in den Blick. Vor diesem Hintergrund verfolgt die Tagung drei Ziele. Erstens nimmt sie die militär- und sicherheitspolitischen, zivil-militärischen sowie binnenmilitärischen Beziehungen im Kontext übergreifender Epochentendenzen in den Blick. Damit bezieht die Tagung gegenwärtige zeitgeschichtliche Forschungstendenzen auf das Militärische und unterstreicht die Relevanz militärhistorischer Fragen auf diesen Feldern. Zweitens sind Konvergenzen und Divergenzen zwischen Ost und West – wechselseitige Wahrnehmungen, Beziehungen, Parallelen und Abgrenzungen – auf deutscher und europäisch-internationaler Ebene auszumessen. Drittens schließlich soll die immer noch anzutreffende teleologische Betrachtung der Bundesrepublik als Erfolgs- und der DDR als Misserfolgsgeschichte überprüft werden.
Veranstalter: ZMSBw; Prof. Dr. Jörg Echternkamp, Dr. Christoph Nübel
Programm
Dienstag, 17. September 2019
11.30 – Anmeldung, Begrüßungskaffee
13.15 – Begrüßung Jörg Hillmann, Kommandeur ZMSBw, Michael Epkenhans, Leitender Wissenschaftler ZMSBw
13.30-14.00 – Einführung Jörg Echternkamp, Christoph Nübel (Potsdam)
14.00-15.00 – Impulsreferate I
Moderation: Agnes Bresselau von Bressensdorf (Berlin/München)
Mark Kramer (Cambridge, MA), Germany, the East-West Military Confrontation, and the Cold War
Sari Autio-Sarasmo (Helsinki), Between East and West: The Cold War in Europe
15.00-15.30 – Kaffeepause
15.30-16.00 – Impulsreferate II
Hermann Wentker (Berlin), Das doppelte Deutschland und die Streitkräfte. Chancen und Grenzen einer deutsch-deutschen Militärgeschichte
16.00-17.00 – Diskussion
17:00-17.30 – Kaffeepause
17.30-19.30 – Buchpräsentation: Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945-1990
Begrüßung und Einführung: Jörg Hillmann, Kommandeur ZMSBw, Michael Epkenhans, Leitender Wissenschaftler ZMSBw
Vorstellung des Bandes: Eckart Conze (Marburg), Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945-1990
Übergabe des Bandes: Christoph Links, Ch. Links Verlag
Öffentlicher Empfang
19.30 – Abendessen
Mittwoch, 18. September 2019
09.00-10.30 – Panel I: Außenansichten deutscher Streitkräfte
Moderation: Jörg Echternkamp (Potsdam)
Kathleen J. Nawyn (Washington, D.C.), “Highly Capable Men”: The U.S. Army in Europe and the German Officer Corps, 1945-1949
Peter Speiser (London), „Panzers welcome?“ - Britische Reaktionen auf die Schießübungen der Bundeswehr in Wales, 1961
Michael M. Olsansky (Zürich), „Nicht gerade zackig hier…“ – Schweizerische Innenansichten aus der Bundeswehr und Fernsichten auf die NVA (1959-1970)
10.30-11.00 – Kaffeepause
11.00-12.30 – Panel II: Gesellschaftliche Urteile in der nationalen Binnenperspektive
Moderation: Jürgen Elvert (Köln)
Claudia Kemper (Hamburg), Die west- und ostdeutsche Friedensbewegung über Militär und Militarismus. Herausforderungen und Chancen für eine deutsch-deutsche Annäherung
Heiko Biehl/Timo Graf (Potsdam), Öffentliche Meinung zu Sicherheitspolitik und Streitkräften in Demokratie und Diktatur: Ein Beitrag zur Soziologie zivil-militärischer Beziehungen in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR
Rüdiger Wenzke (Potsdam), Zwischen Renitenz und Verweigerung. Zum Umgang mit nonkonformistischen Verhaltensweisen von Soldaten in beiden deutschen Streitkräften
12.30-14.00 – Mittagessen
14.00-15.30 – Panel III: Die politische Organisation der Streitkräfte
Moderation: Nina Leonhard (Potsdam)
Rudolf Schlaffer (Potsdam), Die militärische Spitzengliederung in der Bundesrepublik und der DDR
Dorothee Hochstetter (Potsdam), Verteidigungsausschüsse in Bundestag und Volkskammer. Organisation, Repräsentation und Praxis parlamentarischer Verteidigungspolitik
Michael Epkenhans (Potsdam), Veteranenorganisationen und Politik im geteilten Deutschland
15.30-16.00 – Kaffeepause
16.00-17.30 – Panel IV: Die militärische Organisation der Streitkräfte
Moderation: Dorothee Brantz (Berlin)
Klaus Storkmann (Potsdam), Divisionen, Brigaden, Regimenter: Zwei deutsche Landstreitkräfte im Vergleich
Klaus Schroeder (Wilhelmshaven), „Politische Bildung“ und „politisch-ideologische Arbeit“ in der Dienst- und Ausbildungsstruktur von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee
Václav Šmidrkal (Prag), Staging Socialist Military: Performing Arts in the Armed Forces of Czechoslovakia, GDR and Poland
18.00 – Abendessen
19.00-20.30 – Abendvortrag
Begrüßung und Einführung: Michael Epkenhans, Leitender Wissenschaftler ZMSBw
Dominik Geppert (Potsdam), Deutsch-deutsche Geschichte im Kalten Krieg
20.30-22.00 – Öffentlicher Empfang
Donnerstag, 19. September 2018
09.00-10.30 – Panel V: Narrative und soziale Praxis der Traditionsstiftung
Moderation: Cornelia Grosse (Potsdam)
John Zimmermann (Berlin), Zwischen Mythologie und Ideologie – Tradition in der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee
Jens Boysen (Warschau), Schimmernde Wehr über den Regimen. Traditionspflege und öffentliches Repräsentationswesen der Polnischen Armee als moralische Stütze der ‚ewigen Nation‘ 1918-2018
Bastian Matteo Scianna (Potsdam/London), Repräsentation und Tradition im Österreichischen Bundesheer nach 1955: eine deutsch-deutsch-österreichische Verflechtungsgeschichte?
10.30-11.00 – Kaffeepause
11.00-12.30 – Panel VI: Tourismus, Bedrohung, Militärkultur
Moderation: Christoph Nübel (Potsdam)
Jan-Hinnerk Antons (Hamburg), Zum ambivalenten Verhältnis von Militär und Tourismus in BRD und DDR
Georg Schild (Tübingen), Bedrohungswahrnehmungen in der Regierung Reagan
Thorsten Loch (Berlin), Der Kulturraum des Militärischen in Ost und West
12.30 – Abschlussdiskussion
13:00 – Ende der Veranstaltung