Neue Digitalisierungsprojekte zum Ersten Weltkrieg
Markus Pöhlmann
Aufsatz
Veröffentlicht am: 
17. November 2014

Jahrestage können auch ganz praktische Erträge für die historische Forschung zeitigen. Anlässlich des Jahrhundertdenkens an den Beginn des Ersten Weltkrieges sind 2014 zwei interessante Digitalisierungsprojekte zum Abschluss gekommen.

So hat die Oberösterreichische Landesbibliothek in Linz das vom Reichsarchiv in Potsdam und dessen Nachfolgeinstituten 1925-56 herausgegebene Reihenwerk „Der Weltkrieg 1914-1918“ digitalisiert. Außerdem steht dort nun auch das 1931-48 vom Wiener Kriegsarchiv publizierte Pendant „Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914-1918“ zur Verfügung. Beide Reihenwerke bilden bis heute Grundlagenwerke für die operationsgeschichtlichen Forschungen zum Ersten Weltkrieg. Aufgrund des Umfangs von 14 bzw. sieben Bänden war man bislang auf eine Bibliotheksrecherche angewiesen. Im deutschen Fall liegt die Bedeutung des „Weltkriegswerkes“ zusätzlich in seiner Rolle als Ersatzüberlieferung, da ein großer Teil der zu Grunde liegenden Primärquellen im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden.

Der Dokumentenserver bietet die Möglichkeit zur Ansicht und zum Download als PDF. Die ebenfalls gescannten Karten und Skizzen sind hervorragend dargestellt, lassen sich zusätzlich vergrößern und sind einzeln herunter zu laden. Beim deutschen Reihenwerk fehlt bislang leider der Anlagenband zu „Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft“. Allerdings sind auch die sehr seltenen und momentan noch nicht gemeinfreien Bände für die Kriegsjahre 1917 (Bd. 13) und 1918 (Bd. 14, einschließlich Anlagen) verfügbar. Neben den genannten amtlichen Reihenwerken finden sich auf dem Server außerdem die bekannten Reihe „Schlachten des Weltkrieges“ und „Der Große Krieg in Einzeldarstellungen“.

Trotz der aktuellen diplomatischen und wissenschaftspolitischen Eiszeit ist diesen Sommer auch ein 2011 begonnenes deutsch-russisches Digitalisierungsprojekt online gegangen. Im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen der Föderalen Archivagentur der Russischen Föderation, dem Verteidigungsministerium der Russischen Föderation, der Russischen Historischen Gesellschaft und dem Deutsche Historische Institut in Moskau wurden zwei Konvolute aus deutschen Beuteakten veröffentlicht, die die Rote Armee 1945 nach der Sowjetunion verbracht hatte Dabei handelt es sich einmal um eine Dokumentensammlung der deutschen Geheimpolizeien und Nachrichtendienste aus den Jahren 1912-45, die sich im Russischen Staatsarchiv für sozialpolitische Geschichte befindet (RGASPI, Bestand 458, Findbuch 9). Der zweite Bestand ist militärgeschichtlich interessanter. Hier handelt es sich um ein Konvolut aus deutschen Weltkriegsakten der Jahre 1914-18, die aus dem Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation stammen (CAMO, Bestand 500, Findbuch 12519). Unter den über 400 Akteneinheiten finden sich Splitter von Truppenakten, Unterlagen der Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabes vor 1914, Material zu den deutschen Festungen Metz, Königsberg sowie der Feste Lötzen, zur schweren Artillerie während der Kämpfe um Verdun sowie nachrichtendienstliches Material (Akten einzelner Nachrichtenoffiziere bei den Armeen sowie Lagekarten der Generalstabsabteilung Fremde Heere).

Der Bestand ist professionell erschlossen und in sehr guter Qualität gescannt. Ein Download ist hier nur für die einzelne Seite, nicht aber für den gesamten Band möglich. Die Website ist dreisprachig aufgebaut (Russisch, Deutsch und Englisch). Man kann nur hoffen, dass dieses bedeutende wissenschaftliche Kooperationsprojekt weiter politische und finanzielle Förderung erfährt und namentlich auch auf die Bestände des Zentrums zur Aufbewahrung für historisch-dokumentarische Sammlungen, das ehemalige Sonderarchiv, erweitert wird.