Miszelle
Veröffentlicht am: 
01. Januar 2006

Im Rahmen der Mitgliederversammlung des Arbeitskreises Militärgeschichte e. V. anlässlich der Jahrestagung 2006 auf Schloss Reinbek bei Hamburg wurde erstmals der Wilhelm-Deist-Preis für Militärgeschichte verliehen. Ausgezeichnet wurde Daniel Rupp, M.A., für eine 2005 an der Philosophischen Fakultät I der Universität des Saarlandes eingereichte Magisterarbeit unter dem Titel "Schlachtenschilderungen als Quellen für Taktik im Mittelalter? Eine vergleichende Analyse", die der Vorstand des Arbeitskreises, unter Beiziehung eines externen Gutachtens, aus über 30 eingereichten Arbeiten ausgewählt hatte. Der Wilhelm-Deist-Preis ist mit € 500,00 dotiert.

Laudatio

Die Magisterarbeit von Daniel Rupp unter dem Titel „Schlachtenschilderungen als Quellen für Taktik im Mittelalter? Eine vergleichende Analyse“, eingereicht 2005 an der Universität des Saarlandes, stellt, kurz gesagt, die Frage: Gab es im Mittelalter eine Taktik? Nicht im Sinne feststehender Formen und Verfahren für das Gefecht – deren Existenz scheint unbestritten –, sondern im Sinne einer Reflexion über taktische Elemente von Schlachten, die mittelalterliche Heerführer zur Weiterentwicklung, zum Lernen aus Erfahrung, befähigte. Um sich dieser Frage anzunähern, untersucht die Arbeit drei Schlachten des frühen 14. Jahrhunderts anhand eines breiten Korpus von zeitgenössischen Chroniktexten. Es sind dies die Schlachten von Kortrijk 1302, Arques 1303 und am Pevelenberg 1304. Diese Auswahl ist deshalb klug, weil diese Schlachten nicht nur zeitlich nahe aufeinander folgten, sondern mit Flamen gegen Franzosen auch jeweils dieselben Gegner aufeinander trafen. Da es Daniel Rupp gelingt, eine weitgehende personelle Identität der französischen obersten Führung in allen drei Schlachten nachzuweisen, ist die Frage nach der Lernfähigkeit aus der Rekonstruktion des Ablaufes der drei Schlachten zweifellos gültig zu beantworten. Und siehe da: Während die französischen Ritter bei Kortrijk noch frontal gegen das flämische Fußvolk anstürmten und abgeschlachtet wurden, hatten sie in den darauffolgenden Schlachten ihre Lektion gelernt und griffen starke Defensivstellungen nicht mehr frontal an. Sie verlegten sich nun darauf, das gegnerische Fußvolk durch Plänkeln und Scheinangriffe in für einen berittenen Angriff vorteilhaftes Terrain zu locken. Ja, sogar der verbundene Einsatz von eigener Infanterie in Verbindung mit Kavallerie lässt sich am Pevelenberg zeigen.

Rupps Arbeit zeichnet sich durch den souveränen Umgang mit dem Quellenmaterial aus. Zunächst ist die Heranziehung einer großen Zahl verschiedensprachiger Chroniktexte zu würdigen – über 20 allein für Kortrijk. Beeindruckend ist aber vor allem die Art der Analyse. Mit Takt und kritischem Sachverstand gelingt es Rupp, in den Schlachtenschilderungen das Mythische oder Apologetische vom Glaubwürdigen zu scheiden. Bei dieser geradezu Delbrück’schen Herangehensweise, die die simple und doch so schwierig zu beantwortende Frage stellt, „kann es so gewesen sein“ und andernfalls weiterfragt, „wie könnte es denn sonst gewesen sein, und wie erklärt sich dann der Chroniktext“, hilft Rupp eine solide Kenntnis mittelalterlicher Kriegführung, die denn auch kompetent in die Darstellung eingebracht wird. Sehr lesenswert ist infolgedessen die ausführliche Analyse des taktischen Einflusses der mysteriösen Gräben, in die bei Kortrijk, den Chroniken zufolge, durch Verrat, Verblendung oder gar direkte Intervention Gottes die französischen Ritter gefallen sein sollen, und die sich bei genauerem Hinsehen als simple Entwässerungsgräben herausstellen, wie sie in Flandern nun einmal vorkommen.

Die Arbeit von Daniel Rupp zeichnet sich nicht nur aus durch die große Sorgfalt im Umgang mit den Quellen und der Literatur – die ebenfalls verständig und kritisch analysiert und eingebunden wird – sondern auch durch ihre souveräne formale Gestaltung. Nicht nur ist der Text außerordentlich lesbar und flüssig geschrieben, stellenweise geradezu spannend. Zu würdigen ist auch die Beigabe selbst erstellter, außerordentlich informativer und formal perfekter mehrfarbiger Kartenskizzen, durch die die Rekonstruktion der drei beschriebenen Schlachten überhaupt erst richtig nachvollziehbar wird.

Zur Bedeutung der Arbeit für eine moderne Militärgeschichte des Mittelalters allgemein verdient hervorgehoben zu werden, wie selten und verdienstlich es ist, dass sich die Arbeit von Daniel Rupp wirklich auf das Schlachtfeld wagt. Nicht Anlass oder Beilegung von Konflikten, sondern tatsächlich Taktik und Technik, Schlachtverlauf und Führungsleistung stehen hier im Vordergrund. Das mag für das Mittelalter schwieriger sein, denn für die Moderne. Es ist aber möglich und notwendig. Das vor allem beweist meiner Meinung nach die herausragende Magisterarbeit von Daniel Rupp.

Der Arbeitskreis Militärgeschichte freut sich ganz besonders, den ersten Wilhelm-Deist-Preis für Militärgeschichte ausgerechnet für eine Arbeit aus der mittelalterlichen Militärgeschichte zu verleihen. Das für den Arbeitskreis seit seiner Gründung so wesentliche Anliegen, den ganzen Bereich der Militärgeschichte vom Altertum bis an die Schwelle der Gegenwart abzudecken, gerade Arbeiten in weniger bekannten und populären Epochen zu fördern und stets den diachronen, epochenübergreifenden Vergleich anzustreben, kommt darin zum Ausdruck.

(Dr. Dierk Walter)

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