Dieter Hartwig
Miszelle
Veröffentlicht am: 
12. September 2017
DOI: 
10.15500/akm.12.09.2017

Seit 2013 wird über die Umgestaltung der Aula der Marineschule Mürwik (Offizierschule der Marine) nachgedacht. Dabei geht es auch um die Zukunft eines Ölgemäldes von Claus Bergen, das den letzten Kampf des Schlachtschiffes BISMARCK (Mai 1941) darstellen soll. Die (nur vorläufige?) Beibehaltung des Ölgemäldes „Der letzte Kampf der BISMARCK“ in der Aula der Marineschule Mürwik versteht Martin Eich (faz.net/aktuell v. 15.05.2017) als endlosen Endkampf um den Endkampf der BISMARCK, weshalb der Autor das Gemälde ins Magazin verbannt sehen möchte. Dagegen hält es Jens Jessen (DIE ZEIT, 26.05.2017) nicht für nachteilig, „wenn in der Marineschule Mürwik noch immer das kitschige Seestück vom Untergang der „Bismarck“ im Mai 1941 hängt“. Denn das „Bismarck“-Gemälde sei ein „anschauliches Lehrstück“ für 1. „militärische Führungsfehler, die in der menschenverachtenden Selbstversenkung gipfelten“ sowie 2. „die Sinnlosigkeit, die der Opfertod hat, wenn die übergeordneten Kriegsziele selbst schon menschenverachtend und verbrecherisch sind.“

Als ursprünglicher Anreger einer zeitgemäßen Neugestaltung der Aula der Marineschule Mürwik sieht der Verfasser dieser Gedanken in der Beibehaltung des Gemäldes (allerdings umgehängt in den dann hinteren*/südlichen Bereich der Aula) folgenden Sinn: Mit diesem Gemälde wird den Besuchern der Größenwahn des deutschen Schlachtschiffs- bzw. Großflottenbaus ebenso vor Augen geführt wie die Aussichtslosigkeit einer Seekriegführung gegen britisch-amerikanische atlantische Seeverbindungen aus der Deutschen Bucht heraus. Wie die im südlichen/hinteren Bereich befindlichen Gedenktafeln für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Seeoffiziere liegen diese Epoche, dieser Anspruch und auch diese Seekriegsidee der heutigen Marine (mehr als) fern. Deren Auftrag und Selbstverständnis dagegen manifestiert sich in dem vorgeschlagenen Gemälde, das Einheiten der Deutschen Marine im Verband mit anderen NATO-Einheiten – alle deutlich als solche an ihren Flaggen erkennbar – zeigt.

Im Kontext der Gemälde-Kritik setzt sich Martin Eich auch mit verschiedenen Marineoffizieren der Kriegsmarine auseinander – Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder (1908 – 1944) zählt er dabei (m. E. unzulässig) „zum unmittelbaren [?] Verschwörerkreis um Stauffenberg“. Da es aber überhaupt nur sehr wenige Marineoffiziere gab, die auch nur entfernt zum Widerstand gezählt werden können, könnte Kranzfelder weiterhin als Symbolfigur gelten. Zu Recht richtet Eich den Focus auf Kapitän zur See Hans Langsdorff. Dessen Verhalten nach dem Gefecht vor der La-Plata-Mündung (Dezember 1939) gebührt weit größere Beachtung und Hochachtung im Geschichtsbild sowie in der Traditionspflege der heutigen Marine als bisher, was infolge einer in Vorbereitung befindlichen Langsdorff-Biographie hoffentlich geschehen wird.

Differenzierter allerdings, als Eich es tut, ist mit Admiral Günther Lütjens umzugehen. Ihm hält Eich (wie viele) vor allem seinen letzten Funkspruch vor dem BISMARCK-Untergang vor: „Wir kämpfen bis zum Letzten im Glauben an Sie, mein Führer, und im felsenfesten Vertrauen auf Deutschlands Sieg.“

Den Überlegungen Werner Rahns (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 6, S. 382) bezüglich der Persönlichkeit Lütjens als konservativem Marineoffizier seien diese hinzugefügt: Lütjens war verheiratet mit einer Schwester des (späteren) Admirals Otto Backenköhler (Dönitz-Crew-Kamerad). Nach der perfiden NS-Klassifizierung waren die Geschwister Backenköhler „Halbjuden“, folglich galten die Lütjens-Söhne, beide Marineoffiziere, als „Vierteljuden“ (vgl. Rigg, Bryan Mark: Hitlers jüdische Soldaten, Paderborn 2003, S. 120). Im Kontext dieses weitgehend unbekannten familiären Hintergrundes ist zu bedenken: Lütjens Ergebenheitsadresse kann auch als Maßnahme zum Schutz seiner Familie vor Sippenhaft verstanden werden. Der (spätere) Vizeadmiral Bernhard Rogge („Vierteljude“) sah sich vor Erteilung der „Deutschblütigkeitserklärung“ (erst nach Kriegsbeginn) durch Hitler schlimmen Repressalien durch NS-Funktionäre ausgesetzt, weshalb seine Ehefrau und deren Mutter noch vor Kriegsbeginn den Freitod suchten (Brigg, S. 265). Ist es zu weit spekuliert, dass Lütjens für seine Familie nach seinem sicheren Tod ebensolches befürchtete? Es ist bekannt, dass der jüdische Ehepartner so genannter Mischehen sein Überleben allein der („arischen“) Abstammung des Ehepartners verdankte. Rogges Einsatz als Hilfskreuzer-Kommandant (auf allen Weltmeeren) kann auch als Schutzmaßnahme für ihn verstanden werden, der trotz Hitlers „Deutschblütigkeitserklärung“ keineswegs auf Dauer vor NS-Verfolgungen sicher sein konnte.

Kurz und gut: Personen als Symbole durch Namensgebung für Schiffe oder Büsten in einer Aula heranzuziehen, ist mit Unwägbarkeiten, vor allem aber mit viel Wissen beim Betrachter bzw. denjenigen verbunden, für die diese Symbolwirkung gedacht ist. Das aber kann weder vorausgesetzt noch dem Namensträger (z. B. einem Schiff an der Bordwand) bzw. einer Büste beigegeben werden. Daher ist (nicht nur) die Bundeswehr gut beraten, in ihrer Traditionspflege statt auf Personen besser auf Verhalten zu setzen – also z. B. nicht die Personen des Widerstandes in den Mittelpunkt zu stellen, sondern deren Tun und ggf. auch ihr Lassen, wofür anschließend Personen als Beispiel herangezogen werden können.

*durch die 180°-Drehung des Gestühls ist die Blickrichtung nun (wie ursprünglich!) nach Nord ausgerichtet; damit befinden sich die Gedenktafeln nicht mehr im Blickfeld der (z. B.) Vortragszuhörer.

Admiral Günther Lütjens, Quelle: Walter Lohmann u. Hans H. Hildebrand, Die Deutsche Kriegsmarine 1939-1945, Bad Nauheim 1956, S. 291.
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