Hearts of Iron III
Jens Lohmeier
Miszelle
Veröffentlicht am: 
18. September 2012

Die Serie „Hearts of Iron“(HoI) ist ein Klassiker unter den Strategiespielen, die sich des Zweiten Weltkriegs als Handlungsrahmen angenommen haben. Wie bereits Heiko Brendel beschrieb, sind Spiele dieser Entwicklerschmiede an der Schnittstelle zwischen kontrafaktischem, aber geschichtsnahem Spiel und historischer Simulation angesiedelt.  „HoI“ stellt dabei eines der dichtesten und historisch ‚genauesten’ Strategiespiele zum Zweiten Weltkrieg dar. Entsprechend interessant ist auch die dritte Auflage des Klassikers für eine Betrachtung aus einer militärhistorischen Perspektive.

Ungewöhnlich ist hierbei sicherlich nicht die Wahl des Themas. Der Zweite Weltkrieg bietet häufig den Rahmen für global ausgerichtete Strategiespiele dieser Art. Anders, als es ein Spiel über die nahezu unbeweglichen Grabenkämpfe des Ersten Weltkrieges täte, zeichnete sich dieser durch große Schlachten und bewegliche Kriegführung aus. Zugleich ist der Zweite Weltkrieg auch ein Krieg, der die technische Entwicklung in vielen Bereichen vorantrieb, sei es zu Wasser, am Boden oder in der Luft. Das „Erforschen“ militärtechnischer Möglichkeiten ist ein zentraler Bestandteil des Spiels. So ist es beispielsweise möglich, als Sowjetunion, als erste Nation weltweit, Düsenjäger einzusetzen. Auch die Diplomatie, von Bündnissen, Handelsabkommen und Nichtangriffspakten über Kriegserklärungen bis hin zu Friedensschlüssen, gehört zum Spiel. Insoweit weicht das Spiel nur in Nuancen von den für seine historische Detailvielfalt bekannten Vorgängern ab:

Neu und durchaus ungewöhnlich ist die Möglichkeit, bei einem globalen Strategiespiel die eigenen Divisionen aus einzelnen Regimentern zusammenzustellen und somit Spezialverbände für jede mögliche Aufgabe zu schaffen. Die Komplexität wurde dadurch gesteigert und erhöht damit noch mal den Realismus- und Simulationsfaktor. Für einen schnellen Einstieg eignet es sich aufgrund dieser Spieltiefe kaum. Auch der Verzicht auf graphische Highlights unterstreicht den Fokus der Entwicklungsschmiede auf die Erschaffung mehr einer Simulation denn eines action-geladenen Spiels vor historischer Kulisse.

Wie bei vielen, wenn bei nicht allen Spielen, die in der Zeit des Zweiten Weltkriegs angesiedelt sind, stellt sich die Frage, in wie weit durch die Inhalte und die Spielmechanik das historische Geschehen relativiert oder verharmlost wird. Seltsam erscheint in diesem Zusammenhang die Zensur, die in allen bisherigen „HoI“-Spielen in der Ministerriege der Deutschen zugeschlagen hat. Während beispielsweise Heydrich, Organisator der „Endlösung der Judenfrage“, mit Bild und Klarnamen versehen ist, werden die Namen von Hitler, Himmler, Hess, Göring und Goebbels durch Phantasienamen ersetzt, ihre Bilder durch einen Schattenriss mit Fragezeichen. Hier stellt sich natürlich die Frage, warum ein Spieler, der sich dafür entscheidet, für den Sieg des Nationalsozialismus im Spiel zu ‚kämpfen’, nicht in der Lage sein soll, sich mit dem Bild der Männer, die er hier quasi führt, konfrontiert zu sehen.

Der Zweite Weltkrieg, insbesondere an der Ostfront, aber auch in Asien, war gekennzeichnet von massiven Verbrechen gegen die Menschlichkeit und von Völkermord. Dergleichen ist, nicht nur bei „HoI3“ sondern bei fast allen Computerspielen in dieser Epoche nur in Andeutungen zu erahnen. Damit stellt sich insbesondere der deutschen Vernichtungskrieg im Osten gleichsam spielerisch als ein gewöhnlicher Krieg dar. Kommissarbefehl oder der als Partisanenkrieg getarnte Völkermord tauchen nicht auf, ebenso verschwand auch das Ereignis Nanking-Massaker, das im zweiten Teil der „HoI“-Serie einen japanischen Spieler auf die Grausamkeiten der eigenen Armee im Krieg gegen China stieß. Nun erscheint es ebenso fragwürdig, sich vorzustellen, der Spieler wäre in der Lage, beispielsweise die Judenverfolgung und -vernichtung per Mausklick in Gang zu setzen. Damit würde jedes Spiel die Grenze des Erträglichen bei weitem überschreiten. Befriedigend lösen lässt sich dieses Problem sicherlich nicht. Überraschend ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass es dem Spieler als Anführer der Sowjetunion möglich ist, die „Große Säuberung“ der späten 30er Jahre als Ereignis in Gang zu setzen, ein Verbrechen, dass ebenfalls zahllose Opfer forderte. Die Entwickler müssten sich hier die Frage gefallen lassen, ob sie Massenmord kategorisieren, um ihn so einerseits unter den (Spiel-)Tisch fallen zu lassen und ihn andererseits quasi als ‚Entscheidungsmöglichkeit’ dem Spieler zu überlassen.

 

 

Weiterführende Literatur: Brendel, Heiko: Historischer Determinismus und historische Tiefe – oder Spielspaß?, in: Schwarz, Angelika: Wollten Sie auch immer schon einmal pestverseuchte Kühe auf ihre Gegner werfen?

 

 

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