Krieg, Militär und Mobilität von der Antike bis in die Gegenwart

Jahrestagung 2012 des Arbeitskreises Militärgeschichte e.V. in Zusammenarbeit mit dem Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück
Datum: 
Donnerstag, 20. September 2012 bis Samstag, 22. September 2012
Ort: 
Osnabrück
Deadline: 
Dienstag, 31. Januar 2012

Armeen mobilisieren die Ressource Mensch über Raum und Zeit zur Projektion von Macht und für die Anwendung organisierter Gewalt. Beides erzeugt spezifische Formen von Mobilität bzw. Migration, die vor allem Soldaten und nicht zuletzt deren Familien im Kontext des Eintritts in eine militärische Organisation, der Zugehörigkeit zu ihr in Krieg und/oder Frieden und schließlich auch des Ausscheidens aus dem Militärdienst betreffen.

Die Paarung der Begriffe Mobilität und Migration unterstreicht, dass sowohl kurz- als auch langfristig angelegte Bewegungsmuster und -formen zum hier angesprochenen Themenkreis zählen. Hat sich die Forschung bisher vor allem auf kriegsbedingte Mobilität der Zivilbevölkerung konzentriert, so soll sich der Fokus dieser Tagung vor allem auf Militärangehörige und ihr soziales Umfeld richten. Ihre Mobilität gilt es zwar stets unter Berücksichtigung von Wechselbeziehungen und Austauschprozessen mit den sie jeweils umgebenden zivilen Gesellschaften – der eigenen oder einer „fremden“ – zu untersuchen; durch Krieg oder Besatzung ausgelöste Flucht- oder Wanderungsbewegungen bzw. die Vertreibung oder Deportation von Zivilbevölkerung sollen indes nicht im Vordergrund stehen.

Motiviert ist dieser Zugang durch die Erkenntnis, dass hinter den in der Militärgeschichte häufig thematisierten Truppenbewegungen bzw. -präsenzen sowie institutionellen Strukturen militärischer Apparate die Mobilität von Menschen steht. Es wird mithin nicht nur darum gehen zu diskutieren, wie Armeen ihre Mobilität erzeugen, sondern vor allem darum, den institutionellen Standpunkt um die Betrachtung seiner sozialen und kulturellen Konsequenzen zu erweitern und dann Armeen in Krieg und Frieden als Transmissionsriemen von Mobilitäts- und Migrationsprozessen und zugleich Soldaten als deren Akteure zu sehen.

Bilden also militärische Organisationen und ihre Angehörigen den Bezugspunkt möglicher Fragestellungen, rückt modellhaft eine Reihe typischer Konstellationen ins Blickfeld dieser Tagung, die das Phänomen diachron zwischen Antike und Zeitgeschichte diskutieren wird.

Erstens brauchen Armeen Soldaten, die aus ihren sozialen Kontexten herausgelöst und mobilisiert werden. Hierbei kann es sich um Rekruten oder Berufssoldaten aus der eigenen Bevölkerung handeln, aber ebenso auch um Migranten, die nach grenzüberschreitenden bzw. interregionalen Wanderungen oder Migrationen innerhalb von Kolonialreichen bzw. Imperien zu Soldaten einer Armee werden.

Zweitens weisen militärische Organisationen spezifische Formen raumbezogener Binnenmobilität auf, die teilweise durchaus den Charakter temporärer Wanderungsprozesse gewinnen können. Dabei handelt es sich in erster Linie um die berufsbedingten Versetzungen von Berufssoldaten oder auch die Bewegung von Wehrpflichtigen zwischen den Garnisonen eines Nationalstaates oder den Herrschaftsräumen eines Großreiches.

Drittens bedingt der Einsatz des Militärs als Gewalt- und Herrschaftsinstrument besondere Mobilitätserfahrungen, die sich vom längerfristigen Aufenthalt in Kriegsgebieten über die Bewegungen zwischen Kriegsschauplätzen bzw. diesen und der jeweiligen „Heimat“, bis zu dauerhaften Stationierungen im Rahmen von Besatzungsregimen erstrecken können. Gerade dabei stellt sich die Frage nach einem Forschungskonzept zur Erfassung migrierender bzw. räumlich expandierender Institutionen und der Mobilität bzw. Wanderung von Individuen und Gruppen in deren Kontext.

Viertens bringt auch die Entlassung aus einer Armee eigene Migrations- und Mobilitätsmuster hervor. So standen in der Geschichte unzählige Veteranen nicht nur vor der Frage wie, sondern insbesondere auch wo ihr ziviles Leben weiter gehen sollte und mussten sich zwischen einer Rückkehr in ihre „Heimat“ und alternativen Niederlassungsoptionen entscheiden. Hierbei haben immer wieder auch sozial und/oder politisch motivierte Ansiedlungsprogramme für ehemalige Soldaten eine wichtige Rolle gespielt.

Zentrale Fragen lauten dabei, mit welchen Mechanismen Staaten und ihre Armeen Menschen als Soldaten mobilisieren, welche Auswirkungen dies auf die Betroffenen hat und wie sie und ihre Gesellschaften dies verarbeiten, welche sozialen Prozesse wiederum aus solchen Mobilisierungen und Migrationen innerhalb militärischer Institutionen aber auch in ihrem jeweiligen zivilen Umfeld resultieren und welche Schnittstellen zwischen militärischer und umgebender ziviler Gesellschaft entstehen, welche militärischen Mobilitätskulturen auftreten und wann, wo und unter welchen Bedingungen militärinduzierte Mobilisierung in Migration übergeht?

Auf einer übergeordneten Ebene interessieren also neben den empirischen Befunden auf der individuellen, kollektiven und institutionellen Ebene, die durch militärische Mobilität entstehenden Erfahrungs-, Interaktions- und Kommunikationsräume, Identitäten und Erinnerungen, Austausch-, Aushandlungs- sowie Transferprozesse und Mobilitätskulturen – nicht nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten, sondern beispielsweise auch innerhalb einzelner Waffengattungen.

Exemplarisch sei auf eine Reihe historischer Phänomene verwiesen, die dabei besondere Aufmerksamkeit verdienen:
- Zu- bzw. Einwanderung und Kriegs- bzw. Militärdienst
- Formen migratorischer Kriegführung
- Übergänge zwischen mobiler Kriegführung und Niederlassung bzw. Ansiedlung
- Militärkolonien und Raumerschließung durch militärische Organisationen
- Rekrutierungs- und Mobilisierungsmuster in europäischen Armeen sowie Kolonialarmeen und ihre Schnittstellen zu Migrationsprozessen
- „Mobilmachung“ als militärischer Prozess und gesellschaftliches Phänomen
- Söldnertum als Migrantenberuf
- Infrastrukturen und militärische Mobilität; Wirkung und Wahrnehmung
- Globale Mobilität von europäischen Soldaten und Kolonialtruppen
- Langfristige Präsenz von Soldaten in Besatzungsregimen und damit verbundene Mobilitäten/Migrationen bis hin zu Transfer- oder Integrationsprozessen
- Mobilität und Mobilitätserfahrungen von Soldaten im Krieg
- Mobilität der Körper toter Soldaten
- Ansiedlungsprozesse von Soldaten und Veteranen oder auch Kriegsgefangenen
- Mobilität von Kriegsgefangenen in Lagersystemen sowie hieraus resultierende Migrationen nach dem Ende der Internierung
- Flucht vor Kriegs- oder Militärdienst als indirekt durch Militär und Krieg ausgelöste Wanderungen (draft evasion)

Geplant ist die Besetzung von fünf chronologischen Sektionen, die das Thema von der Alten Geschichte über das Mittelalter und die Frühe Neuzeit bis zur Neuesten Geschichte bzw. Zeitgeschichte behandeln. Bei der Auswahl der Beiträge wird nicht nur besonderer Wert auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gelegt, sondern auch auf die Abbildung oben genannter bzw. damit verwandter Fragestellungen im gewählten Ansatz und dessen Operationalisierung, so dass die Tagung auf der Modellebene zeitübergreifende Entwicklungen sichtbar machen kann bzw. Vergleiche ermöglicht.

Wir freuen uns auf Ihre Themenvorschläge, die Sie bis zum 31. Januar 2012 in einem Abstract von max. 300 Wörtern, begleitet von einem kurzen Lebenslauf, vorlegen können.
Bitte wenden Sie sich mit Rückfragen und senden Sie Ihre Themenvorschläge als Acrobat pdf oder Word doc(x) an folgende Email Adresse:

christoph.rass@uni-osnabrueck.de

bzw. postalisch an:
PD Dr. Christoph A. Rass
Professur für Neueste Geschichte
Universität Osnabrück
Neuer Graben 19/21
49069 Osnabrück

Die Auswahl der Beiträge, die im Rahmen der Tagung in Vorträgen von 20 Minuten Dauer präsentiert werden, erfolgt bis Mitte Februar 2012. Die Reisekosten für Referentinnen und Referenten (i.d.R. Bahnfahrt 2. Klasse innerhalb Deutschlands, Österreichs und der Schweiz) sowie Übernachtungskosten werden von den Veranstaltern übernommen. Eine Publikation der Tagungsergebnisse ist beabsichtigt.