Anmerkungen zum Umgang mit der Geschichte der Wehrmacht
Klaus Schmider
Aufsatz
Veröffentlicht am: 
05. Juni 2016

I. Bundeswehr und Tradition

In den Jahren nach ihrer Gründung stand die Bundesrepublik Deutschland vor der Frage, mit welchem Personal die mittleren und oberen Führungspositionen des neuen Staates besetzt werden sollten. Da die meisten Bewerber bereits in ähnlichen Stellungen im nationalsozialistischen Deutschland gearbeitet hatten, war zu klären, wie einer Kontinuität zum untergegangenen Regime vorgebeugt werden konnte.

Aus der Rückschau betrachtet, war die Bundeswehr das einzige Staatsorgan, das zumindest den Versuch unternahm, sich dieser Aufgabe zu stellen. Durch die Einrichtung des Personalgutachterausschusses gelang es den neuen Streitkräften, zumindest einen Teil der politisch belasteten Bewerber für das höhere Offizierskorps (ab Oberstleutnant) auszuschließen und zugleich ein wichtiges politisches Signal zu setzen1. Durch die neue Führungsphilosophie der "Inneren Führung" sollte überdies sichergestellt werden, dass die neuen Streitkräfte keine Parallelexistenz zum Rest der deutschen Gesellschaft führten und sich im Einsatz nicht über das Kriegsvölkerrecht hinwegsetzten2.

Freilich blieb es nicht aus, dass sich viele Bundeswehroffiziere der Kriegsgeneration nicht zuletzt über ihre Zeit in der Wehrmacht definierten und bemüht waren, diese in das Selbstverständnis und die Tradition der neuen Streitkräfte zu integrieren. Der Rede, in der Kapitän zur See Karl-Adolf Zenker vor den ersten Soldaten der Bundesmarine im Januar 1956 die in Spandau einsitzenden Großadmirale Erich Raeder und Karl Dönitz in Schutz nahm3, war ein erster solcher Versuch, der politisch hohe Wellen schlug, ohne sich jedoch nachteilig auf Zenkers weitere Karriere auszuwirken4.

Ein ähnlich gelagerter Fall 20 Jahre später – die Einladung für den hochdekorierten Weltkriegsveteran und NS-Sympathisanten Hans-Ulrich Rudel beim Aufklärungssgeschwader 'Immelmann' – endete dagegen mit gleich zwei Entlassungen hoher Offiziere5 und hatte langfristige Folgen. Sechs Jahre später erließ das Bundesministerium für Verteidigung einen neuen Traditionserlass, in dem das Dritte Reich im Allgemeinen und die Organe der SS im Besonderen als nicht traditionswürdig bezeichnet wurden. Mittelfristig zog der Erlass eine Reihe von Umbenennungen von Bundeswehrkasernen nach sich, die nach Persönlichkeiten benannt worden waren, die aufgrund ihrer Nähe zum NS-Regime als nicht weiter tragfähig angesehen wurden. Diese Entwicklung kann auch als Erfolg einer der Grundideen der Inneren Führung gesehen werden: ein in der Zivilgesellschaft stattfindender Diskurs – hier über eine kritischere Haltung zur Wehrmacht – drang, wenngleich zeitverzögert, bis zur Bundeswehrführung durch. Von einer Abschottung konnte keine Rede mehr sein.

Dieser Wandel war innerhalb der Bundeswehr freilich mit heftigen Debatten verbunden. An dieser Stelle sei nur auf die programmatischen Äußerungen der "Leutnante 70" sowie der "Hauptleute von Unna" hingewiesen. Die erste Gruppe, acht Leutnante der Heeresoffizierschule in Hamburg, trat im März 1970 mit einem Manifest an die Öffentlichkeit, in dem sie eine weitere Öffnung der Bundeswehr für pluralistisch-demokratische Grundwerte forderte. Sie unterzog unter anderem das geltende Traditionsbild einer scharfen Kritik. Das Selbstverständnis des Soldaten der Zukunft müsse sich noch stärker von den Konzepten der Inneren Führung ("Staatsbürger in Uniform") ableiten als bisher, sein Berufsbild solle sich an das der Zivilbevölkerung angleichen. Der Beruf des Offiziers sei primär als Job zu verstehen und von der Rollenerwartung, die man einem "Herrn, Gentleman oder Ritter" entgegenbrachte, zu befreien6. Dagegen protestierten ein knappes Jahr später 30 Hauptleute der im Raum Unna dislozierten 7. Panzergrenadierdivision mit einer eigenen Erklärung7, in der sie einen allgemeinen Verfall der Disziplin innerhalb der Truppe beklagten und der Regierung vorwarfen, die Bedrohung durch den Warschauer Pakt aus politischen Gründen kleinzureden. Das Selbstverständnis des Soldaten, so die Verfasser, müsse sich wieder stärker an soldatischen Tugenden wie Disziplin, Loyalität und Gehorsam ausrichten.

Offensichtlich gab es im Offizierskorps der Bundeswehr ganz unterschiedliche Selbstwahrnehmungen. Das Traditionsbild war indes noch kein zentraler Gegenstand des Konfliktes zwischen "Kämpfern" und "Staatsbürgern". Dies mag daran gelegen haben, dass die durch die Konfrontation zwischen den Supermächten auf deutschem Boden geschaffene Situation alle anderen militärpolitischen Fragen überschattete, aber auch weil der Diskurs in der westdeutschen Gesellschaft in dieser Hinsicht noch keinen Handlungsbedarf aufgeworfen hatte.

Knapp zwanzig Jahre später schufen der Fall der Mauer und das Ende des Kalten Krieges völlig neue Rahmenbedingungen für die weitere Existenz und damit auch das Selbstverständnis der Bundeswehr. Nachdem die Bedrohung von außen fast über Nacht verschwunden war, trat das bisherige Traditionsverständnis der Bundeswehr stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Bald zeigte sich, dass die Verdrängung von Teilen der jüngsten deutschen Vergangenheit in der frühen Bundesrepublik alsbald von einem neuen gesellschaftspolitischen Phänomen abgelöst wurde: So wuchs ab Ende der 90er Jahre die Tendenz, immer umfassendere Teile der deutschen Geschichte und ihrer Persönlichkeiten an moralischen Maßstäben der Gegenwart zu messen und bei einem negativen Befund aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Auf akademischer Ebene drohten dabei Grundsätze wissenschaftlicher Sorgfalt mitunter ins Abseits zu geraten. Dies zeigte sich beispielsweise im Herbst 2010 mit der vom Bundesministerium des Auswärtigen in Auftrag gegebenen Studie über die Rolle des Auswärtigen Amts im Dritten Reich8. Bei der nicht ganz so medienträchtig ausgefallenen "Entlarvung" des ersten Intendanten der Deutschen Welle, Hans-Otto Wesemann, als Handlanger der Gestapo scheint fehlende Sorgfalt das ausschlaggebende Moment gewesen zu sein9. Die im Oktober 2013 gefällte Entscheidung der Deutschen Vereinigung der Politikwissenschaftler, den Theodor-Eschenburg-Preis aufgrund der möglichen NS-Belastung des Namensgebers einzustellen, erfolgte in einer Art und Weise, die geeignet war, einer Diskussion ganz vorzubeugen10.

In Bezug auf die Bundeswehr ist diese Tendenz besonders in einem anfechtbaren Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamts (MGFA), inzwischen Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), zum "Fall Mölders" evident geworden. Unter Berufung auf dieses Schriftstück vom Juni 2004 wurde der bisherige Ehrenname des Jagdgeschwaders (JG) 74 und der Kaserne im niedersächsischen Visselhövede fallengelassen, da dem Namensgeber starke Verstrickungen in den NS-Staat vorgehalten wurden. Auffällig ist, dass im Gegensatz zu den vorigen drei Fällen die Problematik der Argumente, die gegen Werner Mölders vorgetragen wurden, von der deutschen Geschichtswissenschaft bisher in keiner Weise aufgegriffen worden ist. Dies ist umso bemerkenswerter, als der bewusste Streitfall bereits Gegenstand von Anfragen im Bundestag gewesen ist und die Frage, um die es hier im Kern geht – das Traditions- und Geschichtsverständnis der Streitkräfte des wiedervereinigten Deutschland – eine geschichtspolitische Bedeutung zukommt, die mindestens so schwer wiegen sollte, wie die der drei vorher aufgezählten Streitfälle. Der folgende Aufsatz möchte daher die Kernaussagen des Gutachtens kritisch hinterfragen.

 

II. Werner Mölders in der Tradition der Bundeswehr

Werner Mölders wurde im März 1913 in Gelsenkirchen als Sohn von Victor und Anna Mölders geboren. Der Vater war Lehrer von Beruf und fiel 1915 als Kompanieführer an der Westfront. Mutter und Kinder zogen darauf nach Brandenburg an der Havel zu ihrem Bruder. Im Oktober 1925 trat Mölders dem katholischen Jugendbund "Neudeutschland"11 bei. Auf die Hochschulreife im Februar 1931 folgte der Eintritt in die Reichswehr als Offiziersanwärter im Preußischen Infanterieregiment 2. Seine Ausbildung zum Flugzeugführer erfolgte ab Februar 1934 im Rahmen des Deutschen Luftsportverbandes, der Kampffliegerschule Tutow sowie der Jagdfliegerschule Schleißheim. Im April 1938 wurde er als Staffelkapitän zur Legion Condor nach Spanien versetzt, wo er sich an der Abwehr der republikanischen Ebro-Offensive beteiligte. In der ersten Phase des Zweiten Weltkrieges war Werner Mölders der erfolgreichste deutsche Jagdflieger und erhielt in kurzer Reihenfolge die höchsten Auszeichnungen12. Nach seinem 100. Abschuss im Juli 1941 gab er das Kommando über das Jagdgeschwader 51 ab und fand bis zu seinem Unfalltod am 22. November 194113 Verwendung als Inspekteur der 'Jagd-, Zerstörer- und Schlachtflieger'.

Mölders veröffentlichte im Oktober 1940 ein in Fortsetzungen erscheinendes Interview in der Luftwaffenzeitschrift "Der Adler" (Oktober 1940) sowie eine von ihm autorisierte Biographie (Erstauflage Mai 1941)14. Insbesondere durch den großen Erfolg der zweiten Publikation erreichte er im Deutschland der Kriegsjahre eine beträchtliche Popularität. Aufgrund der Umstände seines Unfalls15 sowie seiner Nähe zur katholischen Kirche entstanden alsbald Gerüchte, er sei einem Mordanschlag zum Opfer gefallen16. Diese erhielten zusätzliche Nahrung durch einen ab Mitte Dezember 1941 in kirchlichen Kreisen zirkulierenden "Möldersbrief", der sich kritisch mit der Politik des NS-Regimes in Glaubensfragen auseinandersetzte. Die Urheberschaft dieses Schriftstückes konnte bis heute nicht geklärt werden17. Mölders selbst dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jedoch nicht in Frage kommen.

Werner Mölders diente der Bundeswehr gleich mehrfach als Namenspatron. 1968 wurde die Kaserne des Fernmelderegiments 34 in Visselhövede nach ihm benannt, 1972 folgten ein Zerstörer der Bundesmarine und 1973 schließlich das Jagdgeschwader 74. Diese Namensgebungen waren der sichtbare Ausdruck eines traditionspolitischen Brückenschlags zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, der 1960/61 mit der Benennung mehrerer Liegenschaften nach Widerstandskämpfern des 20. Juli seinen Anfang genommen hatte18. Nur vier Jahre später erhielten zwei Kasernen in Füssen und Mittenwald die Namen von zwei Generalen der Gebirgstruppe, die sich mittelfristig aufgrund ihrer Nähe zum NS-System und der von ihnen begangenen Kriegsverbrechen als überaus problematische Namenspatrone erweisen sollten: Generaloberst Eduard Dietl19 und General der Gebirgstruppe Ludwig Kübler20. Eine aufschlussreiche Reflexion der Namensgebungen Anfang der 1970er Jahre aus Sicht eines Bundeswehroffiziers der Kriegsgeneration bietet ein Artikel des ersten Inspekteurs der Bundesmarine Admiral Friedrich Ruge vom August 196721. Von den drei in den USA bestellten Lenkwaffenzerstörern der Charles F. Adams-Klasse war damals einer bereits getauft worden (nach dem deutschen Flottenchef des Zweiten Weltkriegs Günther Lütjens), bei zwei weiteren standen die Namen noch zur Diskussion. Hinsichtlich der Möglichkeit, eines der Schiffe nach Werner Mölders zu benennen, zeigte sich Ruge verhalten skeptisch. Der Grund hierfür war jedoch weniger in der Frage zu suchen, ob die Erfolge des Jagfliegers allein für eine solche Ehrung ausreichen würden22, sondern vielmehr in seiner Sorge, dass der Name Mölders im Ausland keinen ausreichend hohen Bekanntheitsgrad aufwies. Sorge vor einer kritischen Reaktion im Inland trieb Ruge kaum um, was zumindest teilweise darauf zurückzuführen war, dass die westdeutsche Öffentlichkeit für dieses Thema noch nicht so sensibilisiert war, wie es Jahre später der Fall sein sollte. Dies lässt sich auch daran ablesen, dass der Admiral in seinem Artikel offen dafür plädierte, den Namen Mölders für ein kleineres Kriegsschiff zu verwenden, dessen Taufe und Indienststellung auf einer heimischen Werft weniger Beachtung in den ausländischen Medien finden würde, und dieses Verfahren auch für weitere verdiente Soldaten des Zweiten Weltkriegs nahelegte23.

Im Falle des Jagdgeschwaders war der Vorschlag für die Benennung von einem Offizier des JG 74 ausgegangen, der diesen seinem Kommodore unterbreitete. Nach Konsultation der noch lebenden Angehörigen sowie kommunaler Gremien wurde der Vorgang über den Inspekteur der Luftwaffe zur Prüfung an Verteidigungsminister Georg Leber weitergereicht24. Aus Sicht der Luftwaffe sprach für Mölders, dass er, obwohl nicht dem militärischen Widerstand zugehörig, aufgrund seines aktiv gelebten Katholizismus mit dem NS-Staat in Konflikt geraten sei. Außerdem habe er sich wiederholt für Opfer oder Verfolgte des Regimes eingesetzt. Konkret genannt wurden die Familie eines jüdischen Schulfreundes, der offen regimefeindliche Bischof von Münster, Clemens Graf von Galen sowie ein französischer Zivilist, der ihn im Juni 1940 nach seinem Absprung über französischem Gebiet misshandelt habe und von den Deutschen kurze Zeit später verhaftet worden sei25. Dass seine militärischen Erfolge den alleinigen Ausschlag für die Wahl seines Namens gegeben hatten, scheint insofern fraglich, als die von ihm erzielte Abschusszahl (115) bis Kriegsende bereits von 78 Jagdfliegern übertroffen worden war, die zudem in den Jahren nach 1941 ungleich schwierigere Einsatzbedingungen als Werner Mölders vorgefunden hatten26. Das Aktenmaterial aus den späten 1960er und frühen 1970er Jahren gibt jedenfalls keinen Hinweis auf nennenswerte Kontroversen innerhalb der Luftwaffe zu dieser Entscheidung27. Da der Ehrentitel durch die Verleihung eines Ärmelbandes mit dem Schriftzug 'Geschwader Mölders' an alle Geschwaderangehörigen mit einer Uniformänderung einherging, war nach der Einwilligung des Ministers auch noch die des Bundespräsidenten nötig. Mit einer feierlichen Zeremonie auf dem Fliegerhorst Neuburg/Donau wurde die Verleihung des Namens am 22. November 1973 besiegelt28.

Vom traditionspolitischen Erdbeben, welches durch den Besuch des Stukafliegers Hans-Ulrich Rudel beim Immelmann-Geschwader 1976 ausgelöst wurde29, blieb die Mölders-Tradition der Luftwaffe unberührt. Auch der Traditionserlass vom Mai 1982, der dem Dritten Reich im allgemeinen und der Waffen SS im Besonderen die Traditionswürdigkeit absprach, führte zu keiner Infragestellung dieser Namenswahl.

Dass die im Laufe der 1980er Jahre eingeleitete größere Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Geschichte des Drittes Reichs30 sich auch auf das Traditionsverständnis der Bundeswehr auswirkte, wurde spätestens seit der Kontroverse um die General Kübler- und die Generaloberst Dietl-Kaserne deutlich. Nachdem im Falle des Ersten die Verantwortung für Kriegsverbrechen auf dem Balkan, im Falle des Zweiten eine besondere Nähe zur NS-Bewegung durch Gutachten des MGFA zweifelsfrei belegt worden war, verfügte Verteidigungsminister Volker Rühe 1995 die Umbenennung der Liegenschaften. Im Falle Dietls hatte der Gutachter sogar einen ausgesprochen fortschrittlichen und menschennahen Führungsstil lobend hervorgehoben, letztendlich gab seine ausgeprägte Nähe zur Person und Ideologie Adolf Hitlers jedoch den Ausschlag zu Gunsten einer Umbenennung31.

Die Mitte der 1990er Jahre angestoßene Entwicklung zur geschichtspolitischen Moralisierung entwickelte jedoch bald eine solche Ausstrahlungskraft, dass ein derart ausdifferenziertes wissenschaftliches Urteil vielfach nicht mehr im Mittelpunkt stand. Das prominenteste Beispiel ist die erste Wanderausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die im November 1999 geschlossen wurde, nachdem drei Historiker in mehreren Fällen eine irreführende Beschriftung der verwendeten Fotographien beanstandet hatten32. Es war offenkundig, dass der Wille zur Aufklärung zu Lasten der historischen Genauigkeit gegangen war.

Obwohl ein wie auch immer gearteter Bezug zu den Massenverbrechen an der Ostfront und auf dem Balkan im Falle Werner Mölders kaum herzustellen war, war in der Zwischenzeit auch sein Name in die Kritik geraten. Durch eine am Abend des 24. April 1998 – ¬einem Freitag – zustande gekommene Zufallsmehrheit von Grünen und PDS im Bundestag wurde das Thema zum Politikum33. Ein entsprechender Antrag kritisierte vor allem Mölders' Einsatz als Staffelkapitän im Verband der Legion Condor und ersuchte die Bundesregierung daher,

"dafür Sorge zu tragen, dass Mitglieder der Legion Condor nicht weiter ehrendes Gedenken z.B. in Form von Kasernenbenennungen der Bundeswehr zuteil wird. Bereits erfolgte Kasernenbenennungen nach Mitgliedern der Legion Condor sind aufzuheben."34

Als Gründe zur Aberkennung der Traditionswürdigkeit wurden zum einen die Verwerflichkeit des Franco-Regimes, welches unter Mithilfe der Legion an die Macht gelangte, zum anderen die taktische Vorgehensweise der deutschen Flieger bei der Bombardierung ziviler Ziele genannt. Gerade letzterer Vorwurf schlug eine argumentative Brücke zum emotionsgeladenen Thema "Guernica", da die Bombardierung der baskischen Kleinstadt sich im Jahr zuvor zum sechzigsten Mal gejährt hatte.

Ein Auftrag an das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) der Bundeswehr zur Erstellung eines wissenschaftlichen Gutachtens über Werner Mölders erfolgte freilich erst im Februar/März 2004. In Anbetracht des im MGFA verfügbaren fachlichen Wissens sowie der differenzierend-abwägenden Wertungen, welche die Gutachter des Amts schon bei mehreren ähnlich gelagerten Fällen an den Tag gelegt hatten, war dies eine naheliegende Entscheidung. Mit der Aufgabe betraut wurde der Fachleiter Luftwaffe innerhalb der Abteilung Forschung, Oberstleutnant Wolfgang Schmidt.

 

III. Das Mölders-Gutachten des MGFA

Im Juni 2004 legte das MGFA das Gutachten über den Traditionsnamen "Mölders" vor35. Der Verfasser beklagte zunächst das Fehlen von Primärquellen und die dominante Rolle populärgeschichtlicher Werke beim Zustandekommen des aktuellen Mölderbildes:

"Ungeachtet der relativ großen Anzahl an Publikationen, denen – aufgrund der bisher angestellten quellenkritischen Analyse – cum grano salis das Etikett von Dichtung und Wahrheit anhaftet, ruht das überlieferte Bild von M. insgesamt auf einer äußerst schmalen Quellenbasis. Diese lässt eine ausgewogene, historische Bewertung kaum zu, allenfalls kann, wie nachfolgend versucht, eine Annäherung verantwortet werden."36

Angesichts der schlechten Quellenlage überrascht freilich das wenig differenzierte Urteil, das Schmidt in seinen nachfolgenden Ausführungen traf. Selbst da, wo Mölders' Lebenswandel etwa durch die Mitgliedschaft in der katholischen Jugendgruppe Neudeutschland eine distanzierte Haltung zum Regime zumindest nahelegt, wurde dies durch die daraus abgeleitete Unterstellung einer besonderen Neigung zum Opfertod auf dem Schlachtfeld ins Gegenteil verkehrt:

"Von amtlich katholischer Seite bemühte man sich demzufolge, Hitlers Auβen- und demzufolge auch Kriegspolitik vorbehaltlos zu unterstützen. Patriotismus war sowohl bei den Geistlichen wie auch bei den Gläubigen ein echtes Leitmotiv. Hinzu kam, dass der Opfergedanke – dem Charakter des Christentums auch als einer Opferreligion entsprechend – gerade bei jungen Katholiken der damaligen Zeit sehr virulent war, besonders dann, wenn sie, wie M., aus der organisierten Jugendbewegung kamen, wo bündisches Lagerleben gepaart mit aktiver katholischer Glaubenspraxis und -spiritualität entscheidende Prägekraft hatten. Insoweit scheint die immer wieder vorgebrachte Mitgliedschaft von M. im Bund Neues Deutschland (sic) in jungen Jahren in Brandenburg – unbeschadet des Bekenntnisses zu einer überweltlichen Instanz – keinesfalls einer staatskritischen Haltung Vorschub geleistet zu haben, sondern eigentlich das Gegenteil."37

Hinsichtlich der militärischen Ehrungen, die Mölders in seinem letzten Lebensjahr entgegengebracht wurden, hält das Gutachten ihm vor, er habe sich diesen nicht "widersetzt"38. Das Engagement Mölders für Opfer bzw. Gegner des Regimes betrachtet der Verfasser aufgrund fehlender Belege skeptisch:

"Zum einen heiβt es, er habe einen französischen Soldaten, der ihn während seiner kurzzeitigen Kriegsgefangenschaft (im Juni/Juli 1940 – Anm. d. Verf.) misshandelt haben soll, vor dem Erschieβen bewahrt. Nach mehrmaliger Fürsprache bei Göring habe dieser zu ihm gesagt: 'Mölders, ich schenke ihnen diesen Mann.' Ein überprüfbarer Beleg liegt bisher freilich nicht vor, wohl aber wird die Geschichte bis zum heutigen Tag unhinterfragt als Ausweis für seine ritterliche Menschlichkeit kolportiert"39.

Die Hilfe für einen jüdischen Klassenkameraden wird ebenfalls problematisch eingeschätzt:

"In eine ähnliche Richtung scheint auch der Hinweis zu gehen, M. habe sich auf der Basis seiner religiösen Grunddisposition sowie eines sozialethisch formulierten Offizierbegriffs – für letzteres liegt ein mündlicher Beleg eines ehemaligen militärischen Bekannten vor – gegen die Verfolgung jüdischer Mitbürger gewandt. Innerhalb der Familie wird berichtet, M. habe einen seiner besten Freunde, der Sohn eines Apothekers und nach den NS-Vorstellungen 'Halbjude' war, vor dem Konzentrationslager bewahrt. Die Information stammt vom Bruder Victor Mölders aus dem Jahr 1985. Wann sich dies zugetragen haben soll, sowie der Vorname des besten Freundes, wird in der Literatur allerdings nicht überliefert. Hinsichtlich des Quellenwerts der Aussage ist zumindest die Frage zu stellen, ob es sich um unmittelbares Wissen des Bruders handelt, oder ob er es möglicherweise erst später erfahren hat. Victor Mölders war seit Anfang Oktober 1940 in englischer Kriegsgefangenschaft."40

Eine Intervention Mölders' im Sommer 1941 bei Hitler zugunsten des Bischofs von Münster, Clemens Graf von Galen, der durch drei Predigten gegen die Kirchenpolitik sowie die Euthanasiepraxis des Regimes ins Visier der Machthaber geraten war, wird "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" als "erfundene Geschichte" bewertet41.

Das Gutachten ähnelt in seiner Argumentation wie auch im Duktus mehr einer Streitschrift als einer nüchternen Prüfung der vorliegenden Fakten. Gewiss ist es richtig, dass es aufgrund der schlechten Quellenlage nicht möglich schien, Mölders' Hilfeleistung für einen französischen Soldaten und seinen jüdischen Freund zweifelsfrei zu belegen. Die wissenschaftliche Redlichkeit hätte es aber erfordert, darauf hinzuweisen, dass sich diese Episoden durchaus zugetragen haben könnten. Ein abschließendes Urteil war aufgrund der von Schmidt verwendeten Quellen ohnehin kaum zu fällen. Der tendenziöse Charakter seines Gutachtens wird nicht zuletzt in der Beurteilung von Mölders Mitgliedschaft im Bund Neudeutschland deutlich, die durch die Betonung der christlichen Opferbereitschaft seine Nähe zum Nationalsozialismus gefördert haben soll. Der Forschungsstand zur katholischen Jugendbewegung stützt diese Schlussfolgerung freilich nicht42.

Auch hinsichtlich des Spanischen Bürgerkrieges, der in der Bewertung von Mölders Tätigkeit in der Legion Condor eine herausgehobene Stellung einnimmt, ist der Verfasser nicht mit dem Forschungsstand vertraut. Besonders zeigt sich dies bei seiner Schilderung der Ebro-Schlacht (Juli bis November 1938), in der die Republikanische Volksarmee unter Mobilisierung ihrer letzten Reserven zu einer großen Gegenoffensive gegen die Aufständischen antrat, von diesen aber bald schrittweise in ihre Ausgangsstellungen zurückgedrängt wurde. Dem Verfasser des Gutachtens zufolge kosteten die Kampfhandlungen im Ebro-Bogen "Zehntausenden" von Zivilisten das Leben, was in Anbetracht eines fast statischen Frontverlaufs sowie der dünnen Besiedelung des Landstriches zwischen Gandesa und Flix kaum möglich war43.

Mölders war seit dem 24. Mai 1938 in Spanien eingesetzt und befehligte eine mit Jagdflugzeugen vom Typ Bf 109 ausgerüstete Staffel (3./J 88). Er habe seine Einsätze "ohne Hemmungen durchgeführt" und bei Tiefangriffen auf feindliche Stellungen "den Tod nichtkämpfender Zivilbevölkerung zumindest billigend in Kauf genommen"44. Wolfgang Schmidt nimmt dabei nicht zur Kenntnis, dass Mölders' Kampfauftrag sich in erster Linie auf den Begleitschutz für eigene Aufklärer und Bomber sowie die Bekämpfung der gegnerischen Luftwaffe bezog. Nur wenn die taktische Lage es zuließ, wurden mit den Bordwaffen auch Tiefangriffe auf gegnerische Stellungen geflogen. Der Hintergrund dieser Einsatztaktik war, dass die Bf 109 – anders als das Vorläufermodell Heinkel 51 –für Tiefangriffe denkbar ungeeignet war45. Die Rolle der republikanischen Luftwaffe, die hier zu ihrer letzten großen Schlacht antrat46 und bei deren Bekämpfung Mölders in drei Monaten 14 Abschüsse erzielte, wird in dem Gutachten nicht erwähnt.

In einem Fazit wird die Traditionswürdigkeit Mölders' in einem knappen Fazit ("M. konnte als Muster eines NS-konformen Soldaten gelten")47 verneint, seine Verdienste werden auf die des "Nur-Soldaten"48 reduziert. Der Gutachter stützte sich für dieses harte Urteil in erster Linie auf seine Interpretation des Möldersschen Handelns. Obwohl es ihm nicht gelungen war, neue Dokumente vorzulegen, anhand deren das Verhalten Mölders' während des Spanischen Bürgerkrieges oder des Zweiten Weltkrieges einer näheren Prüfung hätte unterzogen werden können, baute die Bundeswehr ihre Argumentation damit ausschließlich auf die persönlichen Verfehlungen des Luftwaffenoffiziers auf.

Das Gutachten hat seinen politischen Zweck indes erfüllt. Die im Januar 2005 verkündete Entnamung des Jagdgeschwaders 74 und der Kaserne in Visselhövede durch Verteidigungsminister Peter Struck49 schien einen Schlussstrich unter die Debatte zu ziehen. Auffällig war indes, dass in den folgenden Monaten die Begründungen für die Entfernung des Namens sehr widersprüchlich ausfielen. Sowohl das Gutachten selbst als auch die von der Luftwaffenführung aus diesem Anlass abgeänderte Traditionsrichtlinie von 198250 sowie der (rechtlich unverbindliche) Bundestagsbeschluss von 1998 wurden von Sprechern der Luftwaffe, des Verteidigungsministeriums oder des Präsidialamtes als die eigentlichen Gründe für die Beendigung der Mölders-Tradition in der Luftwaffe genannt51.

Die Luftwaffe ließ es in den folgenden Monaten nicht bei diesem Vorgang bewenden. So verfügte der Standortälteste in der Luftwaffenkaserne Fürstenfeldbruck (u.a. Sitz der Offiziersschule der Luftwaffe) im Februar 2006 die Umbenennung sämtlicher nach Fliegern des 20. Jahrhunderts benannten Straßen seines Stützpunktes in "Straße der Luftwaffe"; unter den betroffenen Namensgebern waren neben Wehrmachtoffizieren auch zivile Flugpioniere, Flieger des Ersten Weltkrieges, eine Anzahl prominenter alliierter Luftwaffengenerale des Zweiten Weltkrieges sowie der französische Schriftsteller Antoine de Saint Exupéry52. Der damalige Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Klaus-Peter Stieglitz, ging im November 2007 noch einen Schritt weiter. In einem Vortrag im MGFA53 stellte er klar, dass die Luftwaffe sich nach einem "Verhaltenscodex" richte, in dem "das Wort Tradition nicht erwähnt wird"54. Darin sei für die Erinnerung an militärische Taten praktisch kein Platz; lediglich Einsätze zur Linderung der Not in Katastrophengebieten sowie die Partnerschaft mit den USA dürften zur Untermauerung des erwähnten Codex herangezogen werden. NATO-Partner mit einem langen und alten Traditionsverständnis (konkret genannt wurden Briten und Franzosen) bekamen bei dieser Gelegenheit gleich ins Stammbuch geschrieben, dass die von ihnen gewürdigten "kriegerischen Handlungen" in keiner Weise "zu unseren Streitkräften in der Demokratie" passen würden55. Überhaupt benötige die Bundeswehr im Allgemeinen und die Luftwaffe im Besonderen "weder Rückgriffe auf zurückliegende Kriege noch Blicke ins Ausland, um Vorbilder für den heutigen Soldaten zu finden"56. Auf den Gegensatz zu Buchstabe und Geist des Traditionserlasses aus dem Jahr 1982, der sich an dieser Stelle mittlerweile überdeutlich abzeichnete, ging der Redner nicht näher ein57.

Die Mölders-Kontroverse fand im Vortrag des Generals nur eine beiläufige Erwähnung; dies mag damit zusammenhängen, dass die Expertise des MGFA mittlerweile bereits in einem entscheidenden Punkt in Frage gestellt worden war. Im März 2007 hatte der Sohn des "halbjüdischen" Klassenkameraden von Werner Mölders das Bundesministerium der Verteidigung über den Fund zweier Briefe informiert, aus denen die Intervention des Kommodores des JG 51 zugunsten der mit ihm befreundeten Familie Küch eindeutig hervorging58. Das erste Schreiben beinhaltete eine Empfehlung, sich unter Berufung auf ihn, Werner Mölders, an die Kanzlei des Führers zu wenden. Bereits am folgenden Tag folgte ein weiteres Schreiben, in dem er seinen Freund ersuchte, noch nichts zu tun, "da ich selbst Schritte eingeleitet habe, die hoffentlich Dir und Deiner Familie Ruhe bringen. Ich werde nach Bescheid Dir umgehend Nachricht geben."59 Da die Familie Küch unbehelligt blieb, liegt der Schluss nahe, dass Mölders' Intervention Erfolg gehabt hatte.

 

IV. Neue Forschungen

Seitdem die Mölders-Tradition in der Luftwaffe 2005 offiziell beendet wurde, sind neue Studien zum Thema vorgelegt worden, die unser Wissen um dessen Biographie im Dritten Reich wesentlich erweitern. Im Jahr 2008 erschien ein Werk, welches das MGFA-Gutachten in drei wesentlichen Punkten in Frage stellte. Der Verfasser Hermann Hagena, ein Brigadegeneral der Luftwaffe im Ruhestand, machte bereits im Buchtitel keinen Hehl aus seinem Anliegen, das über Mölders gesprochene Urteil rückgängig zu machen. Neben einer weitgehenden Widerlegung der hinsichtlich der taktischen Vorgehensweise der Legion Condor60 gemachten Vorwürfe stechen hier vor allem zwei Punkte hervor: Mölders' Hilfe für die Familie seines Klassenkameraden Georg Küch (Februar 1941) und für den Bischof von Münster. Beide Komplexe wurden durch neue Quellenfunde erhellt, die 2007 bzw. 2006 an die Öffentlichkeit gelangt waren. Ersterer betraf den bereits erwähnten Fund zweier Briefe von Werner Mölders an seinen Klassenkameraden Georg Küch, der zweite die Entdeckung der Tagebücher Erich Portmanns, Kaplan und Sekretär von Galens, durch die Historikerin Ingrid Lueb. Die Eintragungen für den 23. November 1941 sowie den 20. Januar 1942 erwähnen den Besuch eines (namenlosen) Angehörigen des Jagdgeschwaders 51, der um Abschriften der Predigten Galens bittet bzw. eine Intervention von Mölders zugunsten des Kardinals bei der Verleihung der Brillanten im Führerhauptquartier am 16. Juli 1941. Die bereits 1947 veröffentlichten Erinnerungen Portmanns stimmen mit den fraglichen Eintragungen zwar nicht Wort für Wort, aber doch dem Sinn nach überein61.

Im Herbst 2008 legte Kurt Braatz seinen Beitrag zum Thema vor. Es handelte sich dabei um eine umfangreiche Biographie, die auch Mölders' Kindheits- und Jugendjahre mit einschließt und sich auf umfangreiches Quellenmaterial stützt62. Auffällig ist, dass Braatz – ein ehemaliger Medienfachmann und Herausgeber mehrerer Memoiren deutscher Jagdflieger63 – ein wie auch immer geartetes Werturteil zur Person Mölders' peinlich vermeidet. Selbst das Gutachten des MGFA und die Vorgänge um die Entnamung des Geschwaders finden keinen Eingang in seine Darstellung. Mölders' Intervention zugunsten der Familie Küch wird hier durch einen Beleg für seine erfolgreiche Intervention beim Oberbürgermeister von Brandenburg, SS-Obersturmbannführer Wilhelm Sievers, weiter untermauert64. Ferner wird seine Einstellung zur Propagandakampagne, die die Luftwaffenführung um seine Person inszenierte, durch den Fund des Briefwechsels mit Fritz von Forell, dem Verfasser des 1941 erschienen Buches "Mölders und seine Männer", illustriert65. Aus diesem geht hervor, dass Mölders der Aufforderung, seine Kriegserlebnisse in öffentlichkeitswirksamer Form schriftlich niederzulegen, zunächst nicht nachkam. Erst auf wiederholtes Drängen seitens der Zentralabteilung Propaganda des Reichsministeriums der Luftfahrt und unter der Bedingung, dieses Vorhaben in enger Zusammenarbeit mit dem ihm durch Heirat verwandten Forell in Angriff zu nehmen, um so einer übermäßigen Hervorhebung seiner Person vorzubeugen, gab er nach66. Am 17. August 1940 instruierte er Forell:

"Wenn Du beabsichtigst, über meine Fliegerei etwas zu Papier zu bringen, so würde ich es sehr begrüssen, wenn ich nicht auf jeder Seite stände, sondern noch etwas anderes. Und dafür wäre es nett, wenn Du es fertig bekämst, das vielleicht einmalige Verhältnis, welches in meiner alten Jagdgruppe herrschte zwischen Führung und Mann zum Ausdruck zu bringen."67

Bei Erscheinen des Buches im Mai 1941 lehnte er ein Angebot Forells ab, eine limitierte, in Leder gebundene Ausgabe als Geschenk für Prominente aus Partei und Wehrmacht aufzulegen. Darüber hinaus, so Mölders, habe er "nicht die Absicht, dem Führer oder dem Reichsmarschall ein Exemplar des Buches zu überreichen, da ich dies zu aufdringlich finde. Wer es lesen will, kann es sich ja kaufen."68

Insgesamt zeigt sich Braatz in der Beurteilung von Mölders' Person um eine Nuance zurückhaltender als Hagena, insbesondere seine Intervention bei Hitler für den Bischof von Münster betrachtet er aufgrund der Chronologie der Ereignisse eher skeptisch69.

Von einiger Relevanz für den weiteren Verlauf der Diskussion war schließlich die 2010 publizierte Habilitationsschrift70 von Stefanie-Schüler Springorum, heute Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Diese Arbeit schildert die Erfahrungen der Angehörigen der Legion Condor und rekonstruiert dabei auch den Charakter des Luftkrieges im Spanischen Bürgerkrieg. Dieser spielte in dem Bundestagsantrag von 1998 eine zentrale, im Gutachten von 2004 eine geringere, aber nicht unwesentliche Rolle. Schüler-Springorums Studie ist daher auch für die Beurteilung des Einsatzes des Jagdfliegers Werner Mölders auf dem spanischen Kriegsschauplatz von Bedeutung.

Das kritische und auf außerordentlich breiter Quellenbasis geschriebene Werk hebt sich von den meisten zu diesem Themenkomplex vorliegenden Arbeiten ab, die nicht selten in kaum verhüllter apologetischer oder verdammender Absicht geschrieben wurden71. Schüler-Springorum knüpft damit an Klaus Maiers Versuch von 1975 an, die Debatte um den Luftkrieg in Spanien zu versachlichen. Bereits 2009 hatte die Autorin bemerkt, dass die Debatte um die Legion Condor weniger die Realität des damaligen Luftkriegs als seine propagandistische Instrumentalisierung durch beide Seiten seit 1937 widerspiegelt72. Insbesondere in der DDR avancierte die Mitgliedschaft in diesem Verband zum Sinnbild für die Kontinuitätslinien zwischen den Militäreliten des Dritten Reichs und der Bundesrepublik73.

Die Verfasserin stellt klar, dass verheerende Angriffe auf Städte nicht nur auf den Fall Guernica beschränkt waren und in aller Regel im Zusammenhang mit der direkten Unterstützung der vorrückenden Bodentruppen standen74. In mindestens einem Fall verweigerte der Stabschef der Legion Condor, Oberst Wolfram Freiherr von Richthofen, eine politisch motivierte Weisung General Emilio Molas75, zu Angriffen auf die Großstadt Bilbao überzugehen. Systematische Großangriffe auf Bevölkerungszentren des Gegners wurden in großem Stile vor allem von der italienischen Luftwaffe ausgeführt76.

Schüler-Springorum bezog in ihrem Werk keinerlei Stellung zum Gutachten des MGFA oder der Kontroverse, die sich daraus ergeben hatte. Bei der Lösung ihrer selbstgestellten Aufgabe, ein Kollektiv zu untersuchen, war sie freilich zumindest in Teilen auf Einzelbiographien angewiesen. Hierbei fällt auf, dass die von ihr zusammengetragenen Quellen zumindest von der Tendenz her die positiven Führungseigenschaften Werner Mölders' – insbesondere seine betonte Fürsorge für seine Untergebenen – bestätigen77.

Eine bedeutende Rolle in der Diskussion über die Traditionswürdigkeit von Werner Mölders spielten schließlich Berichte über sein Verhalten gegenüber einem französischen Zivilisten, der ihn bei seiner Gefangennahme tätlich angegriffen hatte. Bislang waren hierzu nur Quellenbelege aus der Memoirenliteratur bekannt, die in dem MGFA-Gutachten zudem als unglaubwürdig deklariert wurden78.

Zunächst kurz zum historischen Vorfall: Eine von dem damaligen Hauptmann Werner Mölders geführte Gruppe des Jagdgeschwaders 53 nahm am späten Nachmittag des 5. Juni 1940 an Luftkämpfen über Compiègne teil. Dabei wurde er von dem französischen Jagdflieger René Pomier-Layrargues abgeschossen79. Mölders konnte sich mit dem Fallschirm retten und wurde wenig später in der Nähe der Ortschaft Grandfresnoy von Soldaten des 195. Leichten Feldartillerieregimentes gefangengenommen, die von einer Gruppe von Zivilisten begleitet wurden. Kurz nach der Gefangennahme, so Mölders, habe ihn ein "kleiner Giftzwerg" angesprungen und ihm einen Fausthieb oberhalb der Augenbraue versetzt, was zu einer blutenden Wunde geführt habe. Ein anwesender Offizier habe eingegriffen und ihn vor weiteren Tätlichkeiten bewahrt. Soweit der von Mölders stammende Bericht "Mölders und seine Männer" aus der Feder von Fritz von Forell, der sich mit den veröffentlichten Schilderungen von an der Gefangennahme beteiligten französischen Soldaten deckt80. Der betreffende Franzose soll aufgrund seiner Tätlichkeit später von einem deutschen Gericht zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt, aber durch Mölders Intervention freigelassen worden sein.

Die lokalgeschichtliche französische Zeitschrift La Revue du pays d'Estrées publizierte 2008 erstmals neue Details zu diesem Vorfall81. Ein Artikel bestätigte zunächst die bekannten Einzelheiten des Luftkampfs, des Abschusses von Mölders in der Nähe von Grandfresnoy und die Vorkommnisse bei seiner Festnahme. Er schilderte zudem aber, dass Pierre Hochedez, ein Einwohner des nahe gelegenen Ortes Canly, Mölders einen Faustschlag versetzt habe und ihm seine Lederjacke entwendete. Der "Dieb" sei anschließend festgenommen, inhaftiert, aber bald wieder freigelassen worden82. Dies war die erste nicht auf möglicherweise gefärbten deutschen Quellen basierende Darstellung, die eine Untersuchung des Vorfalls erwähnt, die erst zu einer Festnahme83 und wenig später zu einer Freilassung des Festgenommenen führte.

Auf Grundlage der im Archiv des Departement de l'Oise befindlichen Akten lässt sich der Vorfall mittlerweile lückenlos rekonstruieren84. Den Unterlagen ist zu entnehmen, dass von den acht zunächst wegen der Gefangennahme von Mölders festgenommenen Franzosen nur einer – Edmond Maurice Caron – vor das deutsche Luftwaffen-Feldgericht in Grand (Belgien) gestellt und zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt wurde, die später auf sechs Jahre reduziert wurde. Von besonderem Interesse für das weitere Schicksal Carons sind Unterlagen des Präfekten des Departement de l'Oise. Dieser fasste die Meldungen seiner nachgeordneten Dienststellen in Berichten an den Generaldelegierten der Vichy-Regierung für die besetzten Gebiete, Comte Fernand de Brinon85 zusammen. Die Zusammenfassungen waren meist mit der Bitte verbunden, gegen als willkürlich empfundene Verhaftungen zu protestieren. Von besonderem Wert für die Beurteilung des Falles Mölders' sind die Kopien von brieflichen Mitteilungen Michel Duchènes, Direktor einer großen Zuckerfabrik und Arbeitgeber von Edmond Caron, an den Präfekten. Aus naheliegenden Gründen hielt es Duchène für angezeigt, den Präfekten über alle seine Kontakte mit dem Kriegsgegner zu unterrichten und ihn an seinem Schriftverkehr nachrichtlich zu beteiligen. Duchène wandte sich unmittelbar nach seiner Demobilisierung als Reserveoffizier Anfang 1941 zunächst brieflich an den zuständigen Gerichtsherrn Hermann Göring und bat ihn um eine Unterredung mit einem Offizier seines Stabes86.

Diese Unterredung kam am 6. März in der Kommandantur der Luftwaffe in Paris mit dem Kriegsgerichtsrat Hans-Jürgen Soehring87 zustande. Soehring riet, wegen der Begnadigung über Mölders, der ihm als ehemaligem Rechtsberater der Legion Condor bekannt war, an Göring heranzutreten, was Duchène am 8. März 1941 tat88. Am 24. März teilte Mölders Duchène mit, er sehe, nachdem er sich bereits früher für eine möglichst milde Strafe eingesetzt habe89, seine Möglichkeiten als erschöpft an90. Duchène ließ aber nicht locker und unternahm am 17. Juli 1941 – anlässlich von Presseberichten über den hundertsten Luftsieg von Mölders – einen neuen Vorstoß. Diesmal war er erfolgreich. Psychologisch geschickt, sprach er Mölders im Augenblick seines größten Erfolges auf das Schicksal des unglücklichen 57-jährigen Familienvaters Caron im Zuchthaus Rheinbach91 an, der seine Tat – so Duchène – zutiefst bereue92. Am 19. November 1946 hätte Caron seine 6-jährige Haftstrafe abgesessen. Am 9. Februar 1942 wurde er vorzeitig entlassen und meldete sich bei der Gendarmerie seines Heimatortes zurück. Die legte dem Präfekten des Departement l'Oise ihren Abschlussbericht über den Fall vor und schrieb: "Begnadigt durch den Marschall Göring auf Bitte von Oberst Mölders, die dieser vor seinem Tode ausgesprochen hatte."93

Diese Dokumente fanden erstmals auf einer regionalgeschichtlichen Konferenz in Beauvais Erwähnung, die eine Woche nach der offiziellen Entnamung des Jagdgeschwaders 74 stattfand94.

Das MGFA bezog erstmals 2010 zu den neu aufgetauchten Quellen und den Vorwürfen gegen das Gutachten Stellung. Bernd Lemke verfasste in der militärhistorischen Fachzeitschrift "Global War Studies" eine Replik95 auf einen Artikel des Verfassers dieser Zeilen, in dem die wesentlichen Punkte der Mölders-Debatte für eine englischsprachige Leserschaft zusammengefasst worden waren96. Die von Wolfgang Schmidt vorgebrachten Vorwürfe bezüglich des gezielten Vorgehens gegen Zivilisten auf dem Ebro-Schlachtfeld wiederholte er darin nicht; stattdessen beließ er es bei dem vagen Hinweis auf die Traumatisierung, die Bürgerkrieg und Diktatur in Spanien generell hinterlassen hätten97. Mölders' Eintreten für den französischen Zivilisten Edmond Caron wurde nicht thematisiert, dafür aber seine Hilfe für eine befreundete jüdische Familie als nicht gerade "outstanding"98 bezeichnet, da solches Verhalten im Dritten Reich ja weit verbreitet gewesen sei99. Mölders' Versuche, einen gewissen Abstand zu Würdenträgern der Partei einzuhalten, wurden von Lemke als Ausdruck eines dünkelhaften Überlegenheitskomplexes gegenüber Zivilisten im Allgemeinen interpretiert100. Allerdings kam er nicht umhin, unter dem Eindruck der von Braatz und Hagena zusammengetragenen Quellen einzuräumen, dass das Gutachten mittlerweile "open to criticism" sei101. Über die Person Werner Mölders' ließ sich Lemke nicht weiter aus, sondern schlug stattdessen einen weiten Bogen zu den aktuellen "combat missions" der NATO. Die Bundeswehr, so Lemke, stehe aufgrund der deutschen Geschichte Kampfeinsätzen generell skeptisch gegenüber, so dass auch Soldaten wie Werner Mölders in der Tradition der Bundeswehr nun mal keinen Platz hätten102. Diese Aussage übersah freilich, dass drei Geschwader der Luftwaffe noch immer die Namen von erfolgreichen Jagdfliegern des Ersten Weltkriegs tragen ("Boelcke", "Immelmann", "Richthofen"), ebenso wie es Kasernen gibt, die nach Jagdfliegern der Wehrmacht benannt sind ("Lent", "Marseille"). Die Abkehr von Werner Mölders erfolgte also nicht, weil Kämpfer der Weltkriege generell als nicht traditionswürdig angesehen werden, sondern aufgrund eines im Einzelfall vermeintlich nachgewiesenen Fehlverhaltens, das durch neue Quellen nun widerlegt worden ist.

 

V. Mölders und das Unternehmen "Barbarossa"

In der Debatte um Werner Mölders wurde ein Abschnitt seines Lebens ausgespart, in dem ein konkreter Beleg für eine vermeintliche Nähe zum NS-Staat noch am ehesten zu vermuten wäre: seine – wenn auch nur kurze – Beteiligung am Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941. Das Unternehmen "Barbarossa" bekam durch die Ausgabe einer Reihe von völkerrechtswidrigen Befehlen sowie die zwischen Wehrmacht und SS-Einsatzgruppen vereinbarte Kooperation103 schon vor seinem Beginn ein ideologisches Gepräge. Gerechtfertigt wurde dies von Hitler und der Wehrmachtführung mit dem Hinweis auf den "weltanschaulichen" Charakter dieses Krieges, dessen Notwendigkeit sich durch die "Hinterhältigkeit" des Gegners der Truppe bald von selbst erschließen würde. Von allen diesen Befehlen stach der "Kommissarbefehl" insofern am deutlichsten hervor, weil er bereits vor Beginn der Feindseligkeiten die Gefangennahme einer bestimmten Kategorie gegnerischer Uniformträger – der politischen Offiziere der Roten Armee – ausdrücklich untersagte104. Eine verbindliche Weisung zur Ermordung gegnerischer Soldaten, bevor diese beispielsweise durch eigene Übergriffe Anlass zu Repressalien gegeben hätten, war in der deutschen Militärgeschichte ohne Beispiel.

Durch eine 2008 publizierte Studie sind wir über die Art und Weise, in der dieser Befehl im Ostheer an die kämpfenden Verbände übermittelt wurde, gut informiert105. Eine nicht immer lückenlose Aktenüberlieferung sowie die Vorgabe, den Befehl unterhalb der Armeeoberkommando- bzw. Luftflottenebene nur mündlich weiterzugeben106, lässt eine Rekonstruktion des genauen Befehlsweges jedoch nicht immer zu. So scheint es nicht zuletzt im Ermessen der Befehlshaber gelegen zu haben, ob beispielsweise ein Kommandierender General zunächst nur seine Divisionskommandeure oder aber diese gemeinsam mit den Regimentskommandeuren in Kenntnis dieses und anderer Befehle setzte107. Eine gezielte Sabotage des Befehls durch Unterlassung der Weitergabe an untergebene Verbände ist in einigen Fällen zumindest denkbar, da bei einem Fünftel der Divisionen des Ostheeres, bei denen alle Akten erhalten sind, sich keine Hinweise auf den Kommissarbefehl finden108.

Im Falle der Luftwaffe ist die Rekonstruktion der Diskussion und Weitergabe verbrecherischer Befehle im Allgemeinen und des Kommissarbefehls im Besonderen kaum noch möglich, da die Kriegstagebücher aller Luftflotten, Fliegerkorps und Geschwader bis auf einige Fragmente bei Kriegsende vernichtet wurden. Eine der wenigen noch vorhandenen Quellen ist insofern von Bedeutung, als aus ihr die relative Bedeutung des Kommissarbefehls für die Frontverbände der Luftwaffe hervorgeht. So wird in einem 14-seitigen Protokoll einer Besprechung bei der Deutschen Luftwaffenmission Rumänien vom 18. Juni 1941109 einerseits dem Kommissarbefehl deutlich weniger Platz eingeräumt als beispielsweise den Besprechungspunkten "Kraftfahrdisziplin" und "Disziplinarstrafgewalt". Andererseits ist es auch der einzige der völkerrechtswidrigen Befehle, der ausdrücklich Erwähnung findet110.

Über den Weg, den der Kommissarbefehl zu Werner Mölders als Kommodore des Jagdgeschwaders 51 genommen haben dürfte, können also zumindest einige Vermutungen angestellt werden. Das Geschwader unterstand damals dem II. Fliegerkorps (General der Flieger Bruno Loerzer), welches wiederum Bestandteil der Luftflotte 2 (Generalfeldmarschall Albert Kesselring)111 war. Es scheint wahrscheinlich, dass Mölders in seiner Eigenschaft als Geschwaderkommodore den Befehl entweder bei einer Kommandeurbesprechung im Hauptquartier des Korps in Ottwocle oder der Luftflotte in Warschau erhielt. Sofern er seinerseits den Befehl den Offizieren seines Jagdgeschwaders zur Kenntnis brachte, dürfte dies bei einer Befehlsausgabe am 20. Juni 1941 auf seinem Gefechtsstand in Siedlce (Ostpolen) geschehen sein. Aufzeichnungen über diese Besprechung sind nicht überliefert112. Informationen, ob und wie113 der Befehl bei dieser Gelegenheit tatsächlich weitergegeben wurde, sind bislang nicht bekannt geworden.

Um die ideologische Verortung eines Wehrmachtoffiziers einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, dürfte die Frage, wie er sich zum Kommissarbefehl gestellt hat, allemal größere Relevanz besitzen als Mutmaβungen darüber, ob er an der Ebro-Front seine Einsätze "weitgehend frei von Hemmungen"114 flog oder nicht. Die zukünftige Recherche über Werner Mölders sollte sich daher auf dessen Wahrnehmung und Deutung des Unternehmens "Barbarossa" konzentrieren.

 

VI. Schlussbetrachtung

Das Erbe der Wehrmacht ist stets umstritten gewesen, in der Gesellschaft und in den Streitkräften. Für die Bundeswehr ging es dabei um nicht weniger als ihr Selbstverständnis als eine primär an zivilgesellschaftlichen Werten oder eine vornehmlich an militärischer Effektivität orientierte Armee. Bis heute gibt es sehr unterschiedliche Meinungen darüber, ob und wie der Kampf in das Selbstbild integriert werden soll. Dementsprechend ist auch unklar, wie mit Wehrmachtsoldaten umzugehen ist, die bis in die 1990er Jahre hinein auch wegen ihrer militärischen Leistungen als traditionswürdig angesehen wurden.

An dieser Stelle ist nicht darüber zu entscheiden, welches Selbstverständnis und welches Traditionsmodell für die deutschen Streitkräfte im 21. Jahrhundert angebracht sind115. Für den Historiker verstörend ist jedoch die Leichtfertigkeit, mit der Politik und Bundeswehrführung das Instrumentarium, welches seinerzeit eine glaubwürdige Lösung der Kontroversen etwa um die Generale Kübler und Dietl ermöglichte, beiseiteschieben: An die Stelle einer den Prinzipien wissenschaftlicher Seriosität verpflichteten Recherche, die sich an den Quellen orientiert und immer bemüht bleibt, die Handlungen eines Individuums aus seinen Zeitumständen heraus zu analysieren116, tritt die schlichte Weigerung, bei Entdeckung neuer Quellen Abschied von vorgefassten Urteilen zu nehmen.

Die 2004 gegen Mölders eingebrachten Vorwürfe stellten in erster Linie darauf ab, dass die ihm 1973 unterstellte betonte Distanz zum Regime durch ein konkretes Handlungsmuster nicht nachweisbar sei; ferner wurde ihm in Spanien eine bewusste und wiederholte Bekämpfung ziviler Ziele unterstellt. Der Gutachter des MGFA hatte seine Arbeit ausdrücklich auf die Beweisbarkeit konkreter Handlungen oder Unterlassungen aufgebaut. Diese Schlussfolgerungen sind mittlerweile von der Forschung widerlegt worden, wobei die herausragende Rolle zweier Nichthistoriker bei diesem Prozess besondere Erwähnung verdient. Im Lichte der neuen Dokumente kann Mölders kein persönliches Fehlverhalten oder gar ein Kriegsverbrechen nachgewiesen werden, auch nicht während seines Einsatzes im Spanischen Bürgerkrieg. Er hat sich im Gegenteil für Verfolgte des Regimes eingesetzt und ging insbesondere mit der Hilfestellung für die "halb-jüdische" Familie Küch weit über das hinaus, was die allermeisten Deutschen in dieser Zeit zu leisten bereit waren.

Die Auseinandersetzung um den Jagdflieger Werner Mölders ist ein Indiz für einen größeren Trend im Umgang mit dem Dritten Reich, politisch motivierte Deutungstrends an die Stelle wissenschaftlich fundierter Beurteilung zu setzen. So begrüßenswert das breite öffentliche Interesse an der Geschichte des Nationalsozialismus ist, so sehr ist die Einhaltung von Standards der sorgfältigen Recherche und Quelleninterpretation einzufordern. Die Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich sollte ein von der wissenschaftlichen Erkenntnis getragener Prozess bleiben, in dem es auch möglich ist, ehemalige Diplomaten, Richter, Beamte oder eben Wehrmachtoffiziere nicht nur zu belasten, sondern sie auch zu entlasten, wenn die Quellen dies nahelegen. Zu den Prinzipien des souveränen Umgangs mit der eigenen Geschichte gehört, Erkenntnisse auch dann ernst zu nehmen, wenn sie einer öffentlichen Mehrheitsmeinung zu widersprechen scheinen. Die beharrliche Weigerung der Bundeswehr, den Fall Mölders mit Hilfe der von der Forschung in den letzten Jahren vorgelegten Quellen neu zu bewerten, ist kein gutes Zeichen für den reflektierten Umgang mit der Geschichte.

 

  • 1. Das Fehlen eines vergleichbaren Verfahrens bei Nachrichtendiensten, Polizei und Justiz machte dies formaljuristisch angreifbar, da hiermit gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoßen wurde. Zu dieser Problematik vgl. Otto-Eberhard Zander, Bundeswehr und Nationale Volksarmee. Traditionen zweier deutscher Streitkräfte, Berlin 2007, S. 50 f.
  • 2. Eckhardt Opitz, Geschichte der Inneren Führung. Vom ‚Inneren Gefüge' zur Führungsphilosophie der Bundeswehr, in: Eckhardt Opitz (Hrsg.), 50 Jahre Innere Führung. Von Himmerod (Eifel) nach Pristina (Kosovo). Geschichte, Probleme und Perspektiven einer Führungsphilosophie, Bremen 2001, S. 11-25; Helmuth Schubert, Zur Entstehung, Entwicklung und Bewährung der Konzeption der Inneren Führung, in Bruno Thoß (Hrsg.), Vom Kalten Krieg zur deutschen Einheit. Analysen und Zeitzeugenberichte zur deutschen Militärgeschichte 1945 bis 1995, München 1995, S. 297-321; Dieter Walz (Hrsg.), Drei Jahrzehnte Innere Führung: Grundlagen, Entwicklungen, Perspektiven, Baden-Baden 1987.
  • 3. Vgl. hierzu Dieter Krüger, Das schwierige Erbe. Die Traditionsansprache des Kapitäns zur See Karl-Adolf Zenker und ihre parlamentarischen Folgen, in: Werner Rahn (Hrsg.), Deutsche Marinen im Wandel. Vom Symbol nationaler Einheit zum Instrument nationaler Sicherheit, München 2005, S. 549-564. Zenker war damals kommissarischer Leiter der Abteilung VII (Marine) im Bundesministerium der Verteidigung. Ferner: Frank Pauli, Wehrmachtoffiziere in der Bundeswehr. Das kriegsgediente Offizierkorps der Bundeswehr und die Innere Führung 1955-1970, Paderborn 2010; Helmut R. Hammerich/ Rudolf J. Schlaffer (Hrsg.), Militärische Aufbaugeneration der Bundeswehr 1955 bis 1970, München 2011.
  • 4. Zenker war als Vizeadmiral von 1961 bis 1967 der zweite Inspekteur der Bundesmarine.
  • 5. Rudel hatte sich seit den frühen 50er Jahren wiederholt als Sprecher und auch Kandidat rechtsextremer Parteien betätigt. Der Skandal um die Einladung endete schließlich mit der Entlassung der Generale Walter Krupinski und Karl-Heinz Franke. Donald Abenheim, Reforging the Iron Cross: the search for tradition in the West German Armed Forces, Princeton 1988, S. 219-228.
  • 6. Die Erklärung der Leutnante 70 ist gegenwärtig zu finden unter www.alles-fuer-den-offizier.de/orig2005/thesenleutante70.htm (letzter Zugriff am 22.10.2012).
  • 7. Den 30 Unterzeichnern schlossen sich binnen einer Woche weitere 800 an, darunter auch 114 Studenten der Führungsakademie. Zum damaligen Presseecho vgl. Der Spiegel 15/1971 (5.4.1971), der den Vorfall unter dem Titel "Hauptmann 71: Aufstand der Kompaniechefs" sogar auf die Titelseite setzte.
  • 8. Eckart Conze/Norbert Frei/Peter Hayes/Moshe Zimmermann, Das Amt und die Vergangenheit: deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010. Vgl. Hans Mommsen im Deutschlandfunk am 30.11.2010 (www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/1332017/) sowie Klaus Wiegrefe, Unkenntnis und Ignoranz, in: Der Spiegel 49/2010 (6.12.2010), S. 38 f.; Johannes Hürter, Das Auswärtige Amt, die NS-Diktatur und der Holocaust. Kritische Bemerkungen zu einem Kommissionsbericht; in Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 59 (2011), S. 167-192 bietet die umfassendste Auseinandersetzung mit den durch diese Publikation aufgeworfenen Fragen.
  • 9. Anke Hagedorn, Der Intendant war nicht der Entführer; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.2011. Hintergrund des vorliegenden Falls war eine Verwechselung mit einer anderen Person, die lediglich denselben Nachnamen führte.
  • 10. "Augenwischerei: unsere Politologen: der Theodor-Eschenburg-Preis wird abgeschafft"; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.10.2013 (Feuilleton). Zur Reaktion in der deutschen Geschichtswissenschaft auf diese Maßnahme vgl. Udo Wengst, Der "Fall Theodor Eschenburg". Zum Problem der historischen Urteilsbildung; in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 61 (2013), S. 411-440 sowie Hans Woller und Jürgen Zarusky, Der "Fall Theodor Eschenburg" und das Institut für Zeitgeschichte. Offene Fragen und neue Perspektiven.; in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 61 (2013), S. 551-565.
  • 11. Rolf Eilers, Konfession und Lebenswelt. 75 Jahre Bund Neudeutschland 1919-1994, Mainz 1998; Stephanie Kühner, 'Lebensgestaltung in Christus'. Katholische Jugendbewegung in der Zwischenkriegszeit (1919-1938) aufgezeigt am Beispiel des Bundes Neudeutschland, Freiburg im Breisgau 1999.
  • 12. Ritterkreuz (Mai 1940), Eichenlaub (September 1940), Schwerter (Juli 1941) sowie die erstmals verliehenen Brillanten (ebenfalls Juli 1941).
  • 13. Zur Trauerfeier für Generaloberst Ernst Udet von der Ostfront (Krim) nach Berlin zurückberufen, trat Mölders die Reise als Passagier an Bord einer Heinkel 111 des Kampfgeschwaders 27 an. Beim Versuch der Zwischenlandung in Breslau zerschellte die Maschine aufgrund von Bodennebel an einem Fabrikschornstein. Eine ausführliche Schilderung des Unglückfalls findet sich bei Kurt Braatz, Werner Mölders. Die Biographie, Moosburg 2008, S. 349-352.
  • 14. Fritz von Forell, Mölders und seine Männer, Graz 1941.
  • 15. Wenige Tage vor Mölders hatten auch die Luftwaffengenerale Ernst Udet und Helmuth Wilberg den Tod gefunden, wobei der Freitod des ersteren von der Propaganda als Flugunfall dargestellt wurde.
  • 16. Braatz, Mölders, S. 361-365.
  • 17. Die 1961 von Sefton Delmer, dem Leiter der britischen "schwarzen" Propaganda, beanspruchte Rolle bei Erstellung und Verbreitung des Briefes war jahrzehntelang von der Forschung akzeptiert worden. Helmut Witschek, Der gefälschte und der echte Möldersbrief; in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 16 (1968), S. 60-65. Kurt Braatz hat in jüngster Zeit darauf hingewiesen, dass die Überwachung der alliierten Flugblattpropaganda durch den SD keinerlei Hinweise auf den Abwurf eines solchen Pamphlets ergab. Nach seinem Dafürhalten dürfte der Möldersbrief eher der Feder eines regimefeindlichen Geistlichen entsprungen sein. Braatz, Mölders, S. 361-365.
  • 18. General-Fellgiebel-Kaserne in Poecking sowie Generaloberst-Beck-Kaserne in Sonthofen (beide 1960); es folgten die Graf-Stauffenberg-Kaserne in Sigmaringen und die Henning-von-Treschkow-Kaserne in Oldenburg (beide 1961).
  • 19. Eduard Dietl (1890-1944) deutscher Heeresoffizier. Weltkriegsteilnehmer, 1919 Mitglied der NSDAP-Vorläuferpartei DAP, 1920 Übernahme in die Gebirgstruppe der Reichswehr als Hauptmann, 1930 zum Major, 1935 zum Oberst befördert. 1934 Regimentskommandeur IR 20, 1938 Kommandeur der 3. Gebirgsdivision. Juli 1940 Beförderung zum General der Infanterie, 1941 Kommandierender General des Gebirgskorps Norwegen, von Januar 1942 bis Juni 1944 Oberbefehlshaber der Armee Lappland bzw. der 20. Gebirgsarmee, Beförderung zum Generaloberst Juni 1942. Erfreute sich der besonderen Wertschätzung Hitlers, was neben seiner besonderen Nähe zur NSDAP (Goldenes Ehrenzeichen 1943) auch auf seine erfolgreiche Behauptung Narviks (April-Juni 1940) zurückzuführen sein dürfte. Zu Dietl vgl. Winfried Heinemann, Eduard Dietl – Lieblingsgeneral des Führers; in: Ronald Smelser u. Enrico Syring (Hrsg.), Die Militärelite des Dritten Reiches. Frankfurt a. M. 1995, S. 99-112.
  • 20. Ludwig Kübler (1889-1947) deutscher Heeresoffizier. Weltkriegsteilnehmer, bei Kriegsende Hauptmann, 1920 Übernahme in die Reichswehr, 1928 Beförderung zum Major, 1934 zum Oberst, 1938 zum Generalmajor. 1938/40 Kommandeur der 1. Gebirgsdivision, 1940/41 Kommandierender General XXXXIX. Gebirgskorps, Beförderung zum General der Gebirgstruppe, Dezember 1941/Januar 1942 vorübergehend mit dem Oberbefehl über die 4. Armee betraut, danach bis zum Juli 1943 ohne Verwendung. Bis zum Oktober 1943 "Kommandierender General und Befehlshaber der Sicherungstruppen im Heeresgebiet Mitte", danach bis Kriegsende als Befehlshaber der "Operationszone Adriatisches Küstenland" bzw. (ab September 1944) Kommandierender General des LXXXXVII. Armeekorps für die Bekämpfung der jugoslawischen Partisanenbewegung im istrisch-slowenischen Raum zuständig. Bei Kriegsende in jugoslawische Kriegsgefangenschaft, diverser Kriegsverbrechen angeklagt und 1947 hingerichtet. Zu Kübler liegt bislang lediglich die nur in Ansätzen wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Biographie von Roland Kaltenegger, General der Gebirgstruppe Ludwig Kübler. Der Bauherr der deutschen Gebirgstruppe und seine Zeit, Würzburg 2011 vor.
  • 21. Friedrich Ruge, Namen für die drei Raketen-Zerstörer, Welt am Sonntag, 27.8.1967. Wiederabdruck in: Jörg Hillmann (Hrsg.), "Erleben - Lernen - Weitergeben" Friedrich Ruge (1894-1985), Bochum 2005, S. 256-64.
  • 22. Die in diese Richtung gehende Interpretation des Gutachters des MGFA greift eindeutig zu kurz; vgl. Militärgeschichtliches Forschungsamt, Jagdgeschwader 74 "Mölders" (Neuburg a.d. Donau), Mölders-Kaserne (Visselhövede). Bearbeiter: OTL Dr. Wolfgang Schmidt. Stand: 30.6.2004. Das Gutachten war 2005/06 vorübergehend auf der Website des MGFA abrufbar. Es ist in der ursprünglichen Paginierung und ohne Auslassungen oder Veränderungen im Text abgedruckt bei Hermann Hagena, Jagdflieger Werner Mölders. Die Würde des Menschen reicht über den Tod hinaus, Aachen 2008, S. 190-229.
  • 23. Ruge, Zerstörer, S. 263. Die Taufe der drei Lenkwaffenzerstörer fand auf der amerikanischen Werft statt, auf der sie gebaut worden waren. Mit Hinblick auf das dort zu erwartende internationale Medieninteresse brachte er in seinem Artikel die Namen des Flugpioniers Graf Zeppelin und des soeben verstorbenen Altkanzlers Konrad Adenauer ins Spiel.
  • 24. Dieses Verfahren, bei dem auf Vorschläge aus der Truppe ein gewisser Wert gelegt wird, wurde zuletzt im Mai 2006 von der Bundesregierung bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE verteidigt; vgl. Bundestag-Drucksache 16/1601, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Paul Schäfer, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE – Kasernennamen und das Traditionsverständnis der Bundeswehr, 7.
  • 25. Bisher war diese Episode nur durch eine Passage in den Memoiren Emmy Görings überliefert, vgl. Emmy Göring, An der Seite meines Mannes. Begebenheiten und Bekenntnisse, Coburg 1996 [ND der Originalausgabe von 1967], S. 219 f.
  • 26. Nicht weniger als 44 dieser Männer waren 1973 bereits verstorben/im Krieg gefallen und hätten für eine solche Ehrung demnach zur Verfügung gestanden. Vgl. die Aufstellung bei Raymond Toliver/Trevor Constable, Adolf Galland. General der Jagdflieger. Biographie, München 1992, S. 349 f.
  • 27. Vgl. insbesondere die Akte Bundesarchiv-Militärarchiv (BA/MA), BL 13/1831, die sich u.a. mit den Feierlichkeiten beim Geschwader und dem Pressecho befasst.
  • 28. Zu den Ereignissen jenes Tages vgl. ebd. sowie das bei Ernst Obermaier/Werner Held, Jagdflieger Oberst Werner Mölders, Stuttgart 1993, S. 214-228 gesammelte Bildmaterial.
  • 29. Vgl. zur Rudel-Äffare allgemein Abenheim, Iron Cross, S. 219-228. Neue Quellen zu diesem Thema hat kürzlich Kurt Braatz zutage gefördert: ders., Walter Krupinski. Jagdflieger, Geheimagent, General, Moosburg 2010, S. 276-305.
  • 30. Ein Prozess, der gemeinhin mit der Ausstrahlung der US-Fernsehserie "Holocaust" in den Dritten Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens im Januar 1979 in Verbindung gebracht worden ist. Vgl. dazu Matthias Weiß, Sinnliche Erinnerung. Die Filme 'Holocaust' und 'Schindlers Liste' in der bundesrepublikanischen Vergegenwärtigung der NS-Zeit, in: Norbert Frei/Sybille Steinbacher (Hrsg.), Beschweigen und Beschweigen. Die deutsche Nachkriegsgesellschaft und der Holocaust, Göttingen 2001, S. 71-102.
  • 31. Vgl. hierzu insbesondere Heinemann, Dietl.
  • 32. Bogdan Musial, Kritische Anmerkungen zur Wehrmachtssaustellung; in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 47 (1999), S. 491-513; Krisztian Ungvary, Echte Bilder - problematische Aussagen. Eine quantitative und qualitative Fotoanalyse der Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944", in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 50 (1999), S. 584-595 und Dieter Schmidt-Neuhaus, Die Tarnopol-Stellwand der Wanderausstellung "Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht". Eine Falluntersuchung zur Verwendung von Bildquellen, in: ebd., S. 596-603.
  • 33. Bundestag-Drucksache, Plenarprotokoll 13/231, S. 21231-21238. Das Thema des ehrenden Gedenkens für Legion Condor-Mitglieder hatte – nach einem entsprechenden Antrag von Grünen und PDS – den Innenausschuss des Bundestages bereits über ein halbes Jahr lang beschäftigt. Die hierbei entstandene Resolution sah von einer Aufforderung zur Umbenennung von Kasernen oder Einheiten allerdings ab. Erst durch einen Zusatzantrag der PDS vom 23. April 1998 erhielt die Resolution einen neuen Charakter. Die am Abend des folgenden Tages noch anwesenden SPD-Abgeordneten enthielten sich beim Votum daraufhin der Stimme.
  • 34. Ebd.
  • 35. Da der Zerstörer "Mölders" bereits im Mai 2003 außer Dienst gestellt und zum Museumsschiff umfunktioniert worden war, waren zu diesem Zeitpunkt nur noch Kaserne und Geschwader von einer möglichen Namensänderung betroffen.
  • 36. MGFA, Gutachten, S. 11.
  • 37. Ebd., S. 28.
  • 38. Ebd., S. 20.
  • 39. Ebd., S. 25.
  • 40. Ebd., S. 29.
  • 41. Ebd., S. 25. Von Galen hatte in seinen Hochamtspredigten des 3. Juli und 20. Juli 1941 Stellung gegen die Enteignung von Ordenshäusern und das allgemeine Gefühl der Rechtlosigkeit, welches von der Gestapo verbreitet wurde, bezogen. Am 3. August 1941 folgte die Predigt gegen die Euthanasiepraxis ('Aktion T 4') des NS-Staates. Verschiedene Stationen von Galens Leben werden schlaglichtartig beleuchtet in Joachim Kuropka (Hrsg.), Neue Forschungen zum Leben und Wirken des Bischofs von Münster, Münster 1992.
  • 42. Eilers, Konfession und Lebenswelt; Kühner, Lebensgestaltung in Christus.
  • 43. MGFA, Gutachten, S. 13. Rein wissenschaftlich fällt der Verfasser damit weit hinter die bereits 1975 von Klaus A. Maier eingeleitete Versachlichung des immer wieder polemisch gehandhabten Themas Luftkrieg im Spanischen Bürgerkrieg zurück, vgl. Klaus A. Maier, Guernica 26.4.1937. Die deutsche Intervention in Spanien und der Fall Guernica, Freiburg 1975. Zur Geographie und Topographie des Ebro-Schlachtfeldes vgl. das bei Fernando Puell/Justo Huerta, Atlas de la Guerra Civil Española. Antecedentes, operaciones y secuelas militares, 1931-1945, Madrid 2007, S. 200-215 gesammelte Kartenmaterial.
  • 44. MGFA, Gutachten, S. 14.
  • 45. Neben geringerer Beschussfestigkeit waren es vor allem die schlechtere Sicht aus dem geschlossenen Cockpit sowie die fehlenden Bombenaufhängungen, die die Grenzen des neuen Flugzeugtyps ausmachten. Versuche zu einer Verwendung als Jagdbomber (Jabo) im Herbst 1940 über England erwiesen sich als kostspieliger Fehlschlag. Francis K. Mason, Battle over Britain, London 1990, S. 346-381.
  • 46. Die Luftwaffe der Republik hatte 1937/38 einen erheblichen Aderlass hinnehmen müssen; nur die Lieferung von 90 sowjetischen Jagdeinsitzern vom Typ Polikarpov I-16 hatte diese erneute Schwerpunktbildung möglich gemacht. Gerald Howson, Arms for Spain. The untold story of the Spanish Civil War, London 1998, S. 234, 300.
  • 47. Ebd., S. 39 f.
  • 48. Ebd.
  • 49. "Damit wird ein entsprechender Bundestagsbeschluβ vom 24. April 1998 vollzogen. Das Parlament hatte seinerzeit vor dem Hintergrund des 60. Jahrestages der Bombardierung der spanischen Stadt Guernica durch die Legion Condor entschieden, für Bundeswehreinrichtungen Namen der Angehörigen dieser Einheit nicht weiter zu verwenden." Die Pressemitteilung des Bundesministeriums für Verteidigung findet sich im vollen Wortlaut abgedruckt bei http://www.asfrab.de/bundeswehrchronik/bundeswehrchronik-1996-2005.html (Eintrag für den 28.1.2005).
  • 50. Auf einer am 12. November 2005 abgehaltenen Tagung für ehemalige und aktive Generale wurde von Brigadegeneral Michael Bille unter Bezug auf die "Entnamung" des JG 74 erstmalig Ziffer 15 des Traditionserlasses dahingehend "erweitert", dass durch den Einschub des Wortes "nur" fortan die Traditionspflege praktisch auf "Zeugnisse, Haltungen und Erfahrungen aus der Geschichte" nach 1955 reduziert wurde. Der im Beisein des Inspekteurs der Luftwaffe gehaltene Vortrag wurde mit vom Chef des Führungsstabes der Luftwaffe unterzeichneten Schreiben vom 24.11.2005 (Fü L I 1 – Az 35-21-00/01) an die Teilnehmer der Tagung verteilt.
  • 51. Minister Struck selbst hat unlängst in einem persönlich gehaltenen Rückblick die Aberkennung des Ehrennamens "Mölders" mit dem "schrecklichen Denkmal, dass sich die 'Fliegereinheit' Legion Condor mit der grausamen Bombardierung von Guernica" gesetzt habe, gerechtfertigt. Das MGFA, so Struck weiter, habe belegen können, dass Mölders nicht an Guernica, wohl aber "an anderen umstrittenen Bombardierungen beteiligt gewesen sei". Peter Struck, So läuft das. Politik mit Ecken und Kanten, Berlin 2010, S. 122.
  • 52. Eine Unterscheidung, mit der sich der Autor der Wochenzeitung DIE ZEIT nicht lange aufhielt. Peter Bierl, "Nazinamen raus. Zum 50. Geburtstag wirft die Luftwaffe in einem Fliegerhorst in Bayern historischen Ballast ab"; in: DIE ZEIT, 23.3.2006.
  • 53. Die Bedeutung von Geschichte und Tradition für die Luftwaffe im 21. Jahrhundert. Rede des Inspekteurs der Luftwaffe Generalleutnant Klaus-Peter Stieglitz anlässlich des Besuches beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam am 28. November 2007; www.mgfa.de, abgerufen am 2.2.2008.
  • 54. Ebd., S. 14.
  • 55. Ebd., S. 11.
  • 56. Ebd., S. 15.
  • 57. Dort wird die Notwendigkeit betont, auch den "Willen zum Kampf" (II.17) zu fördern; zu diesem Zweck sollen auch "militärische Leistungen der Vergangenheit" (II.19) herangezogen werden. Abgedruckt bei Loretana de Libero, Tradition in Zeichen der Transformation: Zum Traditionsverständnis der Bundeswehr im frühen 21. Jahrhundert, Paderborn 2006, S. 218-224.
  • 58. Im Wortlaut und als Faksimile wiedergegeben bei Hagena, Mölders, S. 77 f., 159.
  • 59. Ebd., S. 77 f.
  • 60. Der Verfasser führte dafür u.a. den Untersuchungsbericht einer von der republikanischen Regierung angeforderten Militärkommission des Völkerbundes an, in dem ein gezieltes Vorgehen der Legion Condor gegen die Zivilbevölkerung weitgehend verneint wird. Vgl. Commission chargé de l'enquête sur les bombardements aériens en Espagne; in: Société des Nations Journal Officiel/League of Nations Official Journal, Vol. 19 und 20 (1938/1939).
  • 61. Erich Portmann, Der Bischof von Münster. Das Echo eines Kampfes für Gottesrecht und Menschenrecht, Münster 1947, S. 59-61. Abgleich beider Quellen bei Hagena, Mölders, S. 61.
  • 62. Braatz, Mölders. Darunter auch ein fragmentarisches Tagebuch aus den 30er Jahren sowie mehrere Briefe an seine Verlobte und spätere Ehefrau.
  • 63. Zum damaligen Zeitpunkt hatte Braatz bereits die Memoiren von Günther Rall, Julius Meimberg, Wolfgang Falck und Paul Zorner als Herausgeber betreut.
  • 64. Spruchgericht Hiddessen, 2. Spruchkammer 1D Sp. Ls 7/49 – 2/308: Urteil gegen Dr. Wilhelm Sievers vom 26. Februar 1949, Bundesarchiv Koblenz (BA/K), Z/42/III; zit. bei Braatz, Mölders, S. 289-292.
  • 65. Archiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Münster, Nachlass Forell.
  • 66. Zu diesen Vorgängen Braatz, Mölders, S. 166, 178 f, 197, 202, 227, 248-251, 266-272, 304-306.
  • 67. Nachlass Forell, Mölders, Werner: Brief an Fritz von Forell vom 17. August 1940. Archiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Münster, zit. bei Braatz, Mölders, S. 250 f.
  • 68. Ebd., Mölders, Werner: Brief an Fritz von Forell vom 12. Mai 1941, zit. bei ebd., S. 304.
  • 69. Eine Intervention von Mölders ist immer in Verbindung mit der Verleihung der Brillanten zum Ritterkreuz im Führerhauptquartier am 16. Juli 1941 gebracht worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Galen jedoch lediglich die erste seiner drei kritischen Reden gehalten. Vgl. ebd., S. 322-324.
  • 70. Stefanie Schüler-Springorum, Krieg und Fliegen. Die Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg, Paderborn u.a. 2010. Vgl. auch die Rezension von Johannes Hürter in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.11.2010.
  • 71. Eine dritte Kategorie stellen die Publikationen dar, die den Schwerpunkt auf die Beschäftigung mit dem fliegerischen Gerät legen und dabei andere Aspekte weitgehend ausblenden, vgl. etwa Patrick Lareau, Condor. The Luftwaffe in Spain 1936-1939, London 2000.
  • 72. Stefanie Schüler-Springorum, Mythos Guernica. Projektion, Propaganda, Politik; in: Jörg Arnold u.a. (Hrsg.), Luftkrieg. Erinnerungen in Deutschland und Europa, Göttingen 2009, S. 84-100.
  • 73. Schüler-Springorum, Legion Condor, S. 238-240.
  • 74. Ebd., S. 181, 186-190.
  • 75. Emilio Mola Vidal (1887-1937), spanischer Heeresoffizier. Nach langjähriger Kriegserfahrung in Marokko 1930/31 'Director General de Seguridad' für die Koordinierung der Polizeikräfte, bei Ausrufung der Republik 1931 zwei Jahre in Haft, danach Wiederverwendung an verschiedenen Standorten. Ab März 1936 eine Schlüsselfigur in den Staatsstreichplänen führender Militärs gegen die Republik. Bei Kriegsbeginn Brigadegeneral und Militärbefehlshaber für den Bereich Navarra, vom 18.7.1936 bis zu seinem Unfalltod am 3.6.1937 Oberbefehlshaber für den nördlichen Kriegsschauplatz (Galizien, Asturien, Navarra, Baskenland, León sowie nördliches Kastillien). Zu seinem Zusammenstoß mit Richthofen vgl. Privattagebuch Wolfram von Richthofen, Eintrag vom 2.4.1937, BA/MA, N 671/1.
  • 76. Ein auf Mallorca dislozierter Verband der "Aviazione Legionaria" leitete ab Ende 1937 eine Reihe von Angriffen auf die Hafenstädte der spanischen Levante ein, vgl. Ferdinando Pedrialli, Guerra di Spagna e aviazione italiana, Rom 1992, S. 345-365. In mindestens einem Fall, der großen Angriffsserie auf Barcelona vom 16. bis 18.3.1938, scheint der Einsatzauftrag ausschließlich auf die Brechung des Durchhaltewillens der Zivilbevölkerung angelegt gewesen zu sein. Vgl. Renzo di Felice (Hrsg.), Galeazzo Ciano. Diario 1937-1943, Mailand 1994, S. 115 (Eintrag vom 20.3.1938).
  • 77. Schüler-Springorum, Legion Condor, S. 164-168.
  • 78. Vgl. Anm. 25 sowie MGFA, Gutachten, S. 24 f.
  • 79. Nach Recherchen von Kurt Braatz ist auch ein versehentlicher Abschuss durch eine deutsche Messerschmitt denkbar; vgl. Braatz, Mölders, S. 218.
  • 80. La chute de capitaine Moelders, http://aerostories.free.fr/events/moelders/ (Zugriff am 1.2.2011).
  • 81. Pascal Lenoir, 'Juin 1940: un as de la chasse allemande abattu dans le ciel de la région d'Estrées; in: Le Revue du pays d'Estrées – Histoire et patrimoine du pays d'Estrées-Saint Denis, Nr. 14/08, S. 3-6.
  • 82. "Selon un temoignage, recueilli aupres d'un habitant de la région (Albert de Backer, HH), l'auteur du coup de poing, un habitant de Canly, aurait voilé le blouson de Mölders. Le voleur aurait été arêté, emprisonné, puis liberé." Vgl. Lenoir, Juin 1940, S. 3.
  • 83. Da sowohl Grandfresnoy als auch Cany im Departement l'Oise und somit in der deutsch besetzten Zone lagen (Feldkommandantur 638), standen der Festnahme keine juristischen oder politischen Hindernisse im Wege.
  • 84. Archives départemantales de l'Oise, 33 W 8242 .
  • 85. Fernand de Brinon (1885-1947), französischer Journalist und Politiker. In den 20er und 30er Jahren tätig bei 'Journal des Debats' sowie 'L'information', zugleich Förderer deutsch-französischer Aussöhnung. Vom 13.12.1940 bis zum 16.8.1944 "Délégué général du gouvernement français dans les territoires occupés" der Vichy-Regierung im Range zunächst eines Botschafters, am 27.11.1942 Beförderung zum Staatssekretär. Im August 1944 Flucht nach Deutschland und Versuch, dort im Oktober eine Exilregierung zu bilden. Bei Kriegsende von den Amerikanern an Frankreich ausgeliefert und nach Hochverratsprozess am 15.4.1947 hingerichtet. Gilbert Joseph, Fernand de Brinon, l'aristocrate de la collaboration, Paris 2002.
  • 86. Brief Duchène an Göring (7.2.1941), Archives départemantales de l'Oise, 33 W 8242.
  • 87. Hans-Jürgen Soehring (1908-1960), deutscher Kriegsgerichtsrat. Von 1937 bis 1945 Berufssoldat, 1941/43 Luftwaffen-Feldrichter in Paris im Range eines Oberstleutnants. Eine Liebesbeziehung Soehrings zur bekannten französischen Filmschauspielerin Arletty (bürgerl. Léonie Bathiat) zog seine Degradierung zum Unteroffizier und Versetzung an die Cassino-Front nach sich. Nach Rehabilitation Verwendung am Reichskriegsgericht. Nach dem Krieg Mitbegründer der Gruppe 47 und ab Januar 1954 im Dienst des Auswärigen Amtes der Bundesrepublik. 1960 Botschafter in der Republik Kongo, im selben Jahr beim Baden im Kongo tödlich verunglückt. Klaus Harpprecht, Arletty und ihr deutscher Offizier.Eine Liebe in Zeiten des Krieges, Frankfurt 2011.
  • 88. Brief Michel Duchène an den Präfekten (8.3.1941) nebst Kopie des Briefes an Mölders (8.3.1941). Archives départementales de l'Oise, 33 W 8242.
  • 89. Denkbar ist, dass Mölders in dem Verfahren gegen Caron als Zeuge gehört worden war; belegen lässt sich das indes nicht.
  • 90. Werner Mölders an Michel Duchène, 24.3.1941. Privatbesitz (Familie Duchène).
  • 91. Erhalten ist die Karteikarte von Edmond Caron aus dem ehemaligen Zuchthaus Rheinbach im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, vgl. Az R3K-03-20#2229/09. Die Gefangenenpersonalakte konnte dagegen weder in den Beständen von Rheinbach, noch in denen von Siegburg oder bei der Staatsanwaltschaft Aachen nachgewiesen werden. Aus der Karteikarte ergeben sich die ursprüngliche Strafdauer und das Datum der vorzeitigen Entlassung. Datum und Aktenzeichen der Begnadigungsverfügung sind leider auf der Karteikarte nicht vermerkt.
  • 92. Handschriftliche Kopie eines Schreibens Michel Duchènes an Werner Mölders (17.7.1941), Privatbesitz (Familie Duchène).
  • 93. Capitaine Marchal, Gendarmerie Nationale, 2ème Légion an den Präfekten des Départment l'Oise (12.2.1942), Archives départementales de l'Oise , 33 W 8242; Capitaine Marchal, Gendarmerie Nationale, 2ème Légion an den Präfekten des Départment l'Oise (12.2.1942).
  • 94. Marc Pilot, Croix noire et cocardes, in: Journées d'études, L'Oise dans la Seconde Guerre Mondiale. Bilan et perspectives de la recherché. Actes des journées d'études organisées par le Conseil général de l'Oise à Beauvais les 18 et 19 mars 2005, Beauvais 2005, S. 32-53.
  • 95. Bernd Lemke, Moral Micrology vs. Subsumption: a methodical perspective on the "Mölders case"; in: Global War Studies 7 (2010), S. 123-134.
  • 96. Klaus Schmider, German Military tradition and the expert opinion on Werner Mölders: opening a dialogue among scholars; in: Global War Studies 7 (2010), S. 6-29.
  • 97. Lemke, Moral Micrology, S. 128.
  • 98. Ebd., S. 125.
  • 99. Ein realistischeres Bild von der unter Uniformträgern des NS-Staates gezeigten Bereitschaft, Juden beizustehen, findet sich bei Wolfram Wette (Hrsg.), Zivilcourage. Empörte, Helfer und Retter aus Wehrmacht, Polizei und SS, Frankfurt a.M. 2003. Siehe insbesondere S. 19 f., wo Wette auf eine überschaubare Zahl (weniger als 100) von bisher belegten Fällen kommt, die auch bei Unterstellung einer gewissen Dunkelziffer diese Haltung immer noch als absolutes Minderheitsphänomen erscheinen lässt. Ferner hebt Wette hervor, dass die große Mehrheit dieser Helfer sich aus Wehrpflichtigen bzw. Reservisten zusammensetzte. Mölders hingegen war Berufssoldat.
  • 100. Lemke, Moral Micrology, S. 126 f.
  • 101. Ebd., S. 132 f.
  • 102. Ebd., S. 133.
  • 103. Im Polenfeldzug hatten Übergriffe der SS gegenüber polnischen Zivilisten noch mehrfach den Widerstand der Wehrmacht auf den Plan gerufen. Um einer Wiederholung solcher Vorkommnisse vorzubeugen, schloss die SS-Führung eine Reihe von Vereinbarungen, in denen der Wirkungsbereich beider Organisationen festgehalten wurde. Die Kriegsgerichtsbarkeit wurde durch eine Weisung vom 14.5.1941 stark eingeschränkt. Zu diesem Themenkomplex immer noch wegweisend Jürgen Förster, Das Unternehmen "Barbarossa" als Eroberungs- und Vernichtungskrieg; in: Horst Boog u.a. (Hrsg.), Der Angriff auf die Sowjetunion, Stuttgart 1983, S. 413-450.
  • 104. Oberkommando der Wehrmacht WFSt/Abt. L (IV/Qu) Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare (6.6.1941): "Die Urheber barbarischer asiatischer Kampfmethoden sind die politischen Kommissare. Gegen diese muss daher sofort und ohne Weiteres mit aller Schärfe vorgegangen werden. Sie sind daher wenn im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich mit der Waffe zu erledigen." Eine vollständige Fassung ist als Faksimile wiedergegeben bei Felix Römer, Der Kommissarbefehl. Wehrmacht und NS-Verbrechen an der Ostfront 1941/42, Paderborn 2008, S. 76-79.
  • 105. Ebd.
  • 106. Ungeachtet dieser Vorsichtsmaßnahme wurde die Weitergabe des Befehls in den meisten Verbänden durch die in den Stäben für "Feindauflärung und Propaganda" zuständigen Ic-Offiziere auch schriftlich vermerkt. Zur Bedeutung dieser Dienststelle für die Weitergabe und Ausführung des Kommissarbefehls ebd., S. 318-332.
  • 107. Verschiedene Beispiele hierfür bei ebd., S. 146-158.
  • 108. Ebd., S. 145 f.
  • 109. BA/MA, RL 9/85 Deutsche Luftwaffenmission in Rumänien, Niederschrift über die Kommandeurbesprechung vom 18.6.41 (Ort DLM, Sitzungssaal). Eine Teilnehmerliste liegt dem Dokument nicht bei. Der DLM (Generalleutnant Hans Speidel) unterstanden damals neben Flakverbänden lediglich der Stabsschwarm und die III. Gruppe des JG 52. Ihre Hauptaufgabe bestand im Schutz des Ölgebietes Ploesti und in der Ausbildung der rumänischen Luftstreitkräfte.
  • 110. "Bei Gefangennahme von Russen hat der Reichsmarschall eindeutig befohlen, dass jeder bolschewistische Hoheitsträger ohne jedes gerichtliche Verfahren sofort zu erschiessen ist. Das Recht hierzu hat jeder Offizier!" Ebd., S. 10.
  • 111. Die Rolle Kesselrings bei der Weitergabe der 'verbrecherischen Befehle' harrt noch einer wissenschaftlichen Untersuchung. Andrew Sangster, Field-Marshal Kesselring. Great Commander or War Criminal? (Cambridge: Cambridge Scholars Publishing 2015), S. 64-70, stellt zwar eine Reihe völkerrechtswidriger Weisungen des Luftwaffenoffiziers in den Mittelpunkt seiner Untersuchung, belässt es bei den Barbarossa-Befehlen aber im wesentlichen bei Allgemeinplätzen.
  • 112. Einige private Eindrücke bei Braatz, Mölders, S. 311 f., die sich aber vornehmlich auf die Prognose des Kommodores beziehen, der Feldzug werde "lange dauern".
  • 113. Obwohl im Heer die umstandslose Weiterleitung des Befehls die Norm gewesen zu sein scheint, sind auch Fälle überliefert, in denen die Befehlshaber den Befehl einschränkten oder bei der Ausgabe sogar Kritik an ihm äußerten (6. Panzerdivision, 102. Infanteriedivision, 111. Infanteriedivision, 112. Infanteriedivision). Vgl. Römer, Kommissarbefehl, S. 172-182.
  • 114. MGFA, Gutachten, S. 14.
  • 115. An dieser Stelle sei auf eine Neuerscheinung verwiesen, in der sechzehn an der Universität der Bundeswehr (Hamburg) studierende Offiziere einige der Gedanken der Hauptleute von Unna weiterentwickelt und in Buchform vorgestellt haben, vgl. Marcel Bohnert/Lukas Reitstetter (Hrsg.), Armee im Aufbruch: zur Gedankenwelt junger Offiziere in den Kampftruppen der Bundeswehr, Berlin 2014.
  • 116. Vgl. hierzu die Bewertung eines ähnlich gelagerten Falls durch Johannes Hürter: "Die leidigen Schubladen 'konservativ' und 'progressiv', 'rechts' und links' wurden wieder weit geöffnet, manche Kritiker sogar in die Nähe rechtsradikaler Positionen gerückt. Mit solchen Unterstellungen werden immer wieder Affekte auch gegen jene seriösen Wissenschaftler erzeugt, die ihr Geschäft verstehen und sehr wohl klare Bewertungsmaßstäbe für Unrecht und Verbrechen haben, die sich aber in ihrer Arbeit nicht von geschichtspolitischen Ansprüchen leiten lassen wollen. Die Zeitgeschichtsforschung sollte sich Gedanken darüber machen, inwieweit die öffentlichen Erwartungen die wissenschaftlichen Differenzierungsbemühungen gefährden oder sogar einschüchtern – was den rechtsradikalen Geschichtklitterern erst recht in die Hände spielen würde, denn ohne das solide Fundament differenzierter Forschung kann es keine Aufklärung über die Vergangenheit geben. Das gilt besonders für dassensible Thema NS-Geschichte, deren Erforschung und Darstellung ein Höchstmaß an Sorgfalt erfordern." Vgl. Hürter, Das Auswärtige Amt, S. 191.