Christian Westerhoff/Irina Renz
Miszelle
Veröffentlicht am: 
30. Dezember 2013
Schwerpunktherausgeber: 
DOI: 
10.15500/akm.30.12.2013

Die fahrplanmäßig einsetzende mediale und wissenschaftliche Konjunktur zu den Jahrestagen des Ersten Weltkriegs hat auch an den Archiven und Bibliotheken einiges in Bewegung gesetzt. 2014 soll zu einem nie gesehenen Höhepunkt der Beschäftigung mit Geschichte und Folgen des Ersten Weltkriegs in Deutschland werden. Neben dem zu erwartenden „Medienhype“ befassen sich Historiker, Literatur- und Medienwissenschaftler mit neuen Untersuchungsfeldern und hinterfragen kritisch die bisherige Forschung. Mit Blick auf diese Produktivität und das verstärkte Interesse der Öffentlichkeit an der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ richtet die Bibliothek für Zeitgeschichte ihr Programm für die kommenden Jahre aus. Gleichzeitig wird die Bibliothek für Zeitgeschichte in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (BfZ) – die ehemalige Weltkriegsbücherei – im Jahr 2015 einhundert Jahre alt. Ein guter Anlass, den Militärhistorikern die vielfältigen Sammlungen der BfZ zum Ersten Weltkrieg zu präsentieren. In einer Folge von Beiträgen werden an dieser Stelle ab März 2014 die Sammlungen und Forschungsmöglichkeiten in der Spezialbibliothek vorgestellt.

Zur Geschichte der „Weltkriegsbücherei“

Die Stuttgarter Bibliothek für Zeitgeschichte wurde 1915 von einem patriotisch gesinnten Unternehmer als „Weltkriegsbücherei“ gegründet. Durch die weitverzweigten internationalen Geschäftsbeziehungen des Kaffeemittel-Produzenten „Heinrich-Franck-Söhne“ gelang es dem Initiator Richard Franck, einem Mitglied der Geschäftsführung, eine umfassende Sammlung von Druckerzeugnissen aus dem In- und Ausland zusammenzutragen. Seine heute naiv anmutende Sammlerfreude war darauf ausgerichtet, eine Fülle unterschiedlicher Materialien zu erwerben, um diese „Dokumente der großen Zeit“ nach dem Krieg der „größeren Allgemeinheit“ zugänglich zu machen. In seinem ersten Sammelaufruf bat Franck die Mitarbeiter seiner Firma, Folgendes zu sammeln:

„... die überaus reichhaltige deutsche Kriegsliteratur, alle tonangebenden deutschen Zeitungen und Zeitschiften, alle Kriegszeitschriften, die während der Dauer des Krieges erscheinen, Kriegschroniken, Witzblätter in Kriegsausgaben, alle tonangebenden ausländischen Blätter und Zeitschriften, die kaum übersehbare Menge der Kriegsbroschüren, die vielen gedruckten Kriegsvorträge usw. Ferner alle politischen Veröffentlichungen, politische Aktenbücher, Zeitungsausschnittbücher, Kriegsdichtungen, Feldpostbriefsammlungen, Kriegsbilderwerke, Ansichten und Photographien von den Kriegsschauplätzen, Ostpreußische Plakate aus der Russenzeit, hektographierte Schützengrabenzeitungen, Soldatenkunst aus dem Felde, Kriegsandenken aus dem Schützengraben, Handarbeiten aus Gefangenenlagern, Fliegerzettel, Kriegsbanknoten in besetzten Gebieten, Maueranschläge feindlicher Staaten, Maueranschläge in deutschen Städten, Beschlagnahmeankündigungen usw., Kriegsplakate, deutsche und ausländische Kriegskarikaturen.“1

Auch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde systematisch weiter gesammelt. Ein Teil der umfangreichen Sammlungen ging bei einem Bombenangriff im Jahr 1944 verloren. Durch Nachkäufe in der Nachkriegszeit wurde versucht, diese Verluste weitgehend wieder zu ersetzen. Darüber hinaus gelang es der Bibliothek, ihren Bestand durch bedeutende Neuerwerbungen zu ergänzen und auszubauen.

Da sich der Sammelauftrag mittlerweile wesentlich erweitert hatte, wurde die „Weltkriegsbücherei“ 1948 in „Bibliothek für Zeitgeschichte“ umbenannt. Seit 2000 ist die BfZ als Abteilung in die Württembergische Landesbibliothek integriert. Der Erste Weltkrieg ist jedoch – neben dem Zweiten Weltkrieg und der Marinegeschichte – nach wie vor das wichtigste Themengebiet, zu dem die BfZ Material führt. Sie ist weltweit ein einschlägiger Anlaufpunkt für Forscher und Publizisten, die sich mit dem „Großen Krieg“ auseinandersetzen.

Die Sammlungen zum Ersten Weltkrieg

Die Sammlungen der BfZ zum Ersten Weltkrieg umfassen heute unter anderem die folgenden Bestandsgruppen:

• Bücher und Broschüren

• Plakate

• Tagebücher und Briefe

• Zeitungen

• Flugblätter

• Fotografien

• Postkarten

Mit diesen verschiedenen Medienarten setzt sich der Themenschwerpunkt „100 Jahre Erster Weltkrieg – 100 Jahre Bibliothek für Zeitgeschichte“ auseinander. Einzelne Beiträge, die von März 2014 bis März 2015 im Zweimonatsturnus hier im Portal publiziert werden, stellen jeweils eine Bestandsgruppe, ihre Besonderheiten und ihren Wert für die Forschung vor.

Themenportal Erster Weltkrieg

Aus Anlass des Weltkriegs-Gedenkjahres 2014 hat die BfZ ein Themenportal Erster Weltkrieg2 auf ihrer Website eingerichtet, in dem sie ihre digitalen Angebote zum „Großen Krieg“ präsentiert. Objekte aus den verschiedenen Materialgruppen wurden digitalisiert, mit Zusatzinformationen angereichert und online verfügbar gemacht.

So werden z.B. 100 digitalisierte Bücher und Broschüren zu verschiedenen Aspekten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs angeboten. Über den Datenbank-Ausschnitt „Erster Weltkrieg“ können Nutzer in der Plakat-Datenbank gezielt nach sämtlichen Plakaten und Maueranschlägen zum Ersten Weltkrieg suchen. Auch auf digitalisierte Feld- und Besatzungszeitungen ist hier der Zugriff möglich. Digitalisierte und edierte Tagebücher und Feldpostbriefe verweisen auf die Bestände der Lebensdokumentensammlung. Das Themenportal soll weiter ausgebaut werden.

Vorträge

Die BfZ veranstaltet regelmäßig in der Württembergischen Landesbibliothek öffentliche Vorträge und Podiumsdiskussionen zu zeitgeschichtlichen Themen. Für das Jahr 2014 steht bereits folgendes Programm fest:

27.1.2014, 20 Uhr: Prof. Dr. Christopher Clark (Cambridge): „Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“. SWR-Reihe "Autor im Gespräch", Gesprächspartner: Dr. Christian Westerhoff, BfZ und Dr. Wolfgang Niess, SWR

20.2.2014, 18 Uhr: Stefan Noack (Berlin): Vorzeichen des kommenden Krieges. Ferdinand Grautoffs Zukunftsroman „1906“

17.7.2014, 18 Uhr: Dr. Alex Watson (London): „Mit unerhörter Brutalität“. Russische Gräueltaten in Ostpreußen, 1914-1915. (In Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung BW)

2.12.2014, 18 Uhr: Podiumsdiskussion mit Dr. Gerhard P. Groß (Potsdam) und Prof. Dr. Gerhard Hirschfeld (Stuttgart): Warum die Soldaten Weihnachten 1914 nicht zu Hause waren. Kann man eine Militärgeschichte ohne Krieg schreiben? (In Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung BW)

Weitere Vorträge befinden sich in Planung. Nähere Informationen zu den Veranstaltungen liegen auf der Website der BfZ3.  Die Vorträge werden außerdem zeitnah im Portal Militärgeschichte4 angekündigt.

Ausstellungen

Darüber hinaus plant die BfZ in den nächsten Jahren mehrere Ausstellungen zum Ersten Weltkrieg. So werden das Stefan George Archiv und die BfZ im Jahr 2014 eine Ausstellung mit dem Titel „Der Krieg. Zu jubeln ziemt nicht: kein triumf wird sein. Der George-Kreis im Ersten Weltkrieg“ zeigen. Im Jahr 2015 widmet sich dann eine Ausstellung dem 100-jährigen Jubiläum der BfZ. Mit zahlreichen Leihgaben unterstützt die BfZ zudem eine Vielzahl der bundes- und landesweit geplanten Ausstellungen zum Ersten Weltkrieg.

„Straßenkampf zwischen Deutschen und Franzosen“ Postkarte nach einem Gemälde von G. W. Kisslich Verlag Hermann Wolff Berlin, gelaufen 1915, Quelle: BfZ/WLB
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